GASTKOMMENTAR: Wieso gute Banker vor die Tür gesetzt werden und schlechte bleiben
Viele Bankmitarbeiter empfinden Benommenheit und Ohnmacht, wenn sie sehen, dass sie gute und sehr gute Leistungen erbringen und das in keiner Weise gewürdigt wird und sie gleichzeitig mit Kollegen zusammensitzen, die Geld verlieren und dennoch hofiert werden - sei es auf der gleichen Ebene oder höher und durch die Bank weg: Trading, Sales, M&A, Equity Capital Markets - alles habe ich gesehen.
Manche Banker sind erfolgreich, weil Sie das Spiel von Kommunikation und sich Winden vollkommen beherrschen und dadurch ihre Inkompetenz und Führungsunfähigkeit vertuschen können - Respekt und Hut ab!
Wer sich die Bankenwelt anschaut und weiß, dass die Banker mit positiven Ergebnissen und sehr starken Willen, Enthusiasmus und Freude am Job nicht mehr im Geschäft sind und andere dreistellige Millionenbeträge versenkt haben und weiter arbeiten dürfen, der stellt fest, dass etwas im System faul ist - nämlich auf der nächsthöheren Managementebene:
1. Networking und Blenden schlagen jede Fachkompetenz
So konnte eine kleine Einheit innerhalb einer größeren Division von 2007 bis 2010 jährlich einen Return von 15 Prozent erwirtschaften. Die Jahresziele wurden über fünf Jahre regelmäßig übertroffen - kurz eine recht profitable Einheit. Daneben haben in derselben Division einige Mitarbeiter es fertiggebracht, der Bank in den Krisenjahren 2008 und 2009 dreistellige Millionenverluste einzubrocken. Doch aufgelöst wurde natürlich die profitable Einheit.
Offenkundig sind nicht nur harte Performance-Zahlen für eine Bankkarriere verantwortlich. Vielmehr spielt auch gekonntes Networking eine fundamentale Rolle. Die besagten Eurovernichter haben rechtzeitig den Fuß ins Chefbüro bekommen. Bei jedem gemeinsamen Kaffee und jedem Plausch in dem Glaskasten wurde ihre Position im Unternehmen sicherer.
Manchmal werden Führungskräfte angeheuert, die mit dem Produkt der jeweiligen Division nie etwas zu tun hatten und dementsprechend auch wenig Ahnung haben. Diese Leute müssen sich erst von ihren Untergebenen das kleine Einmaleins des Geschäfts erklären lassen. Unter solchen Bedingungen verfügen Blender über erstklassige Bedingungen.
2. Im Team lässt sich Inkompetenz besonders gut verschleiern
Wechsel ganzer Teams von einem Arbeitgeber zum anderen sind mittlerweile recht verbreitet. Erlauben doch Teams, eigene Mängel gekonnt zu verschleiern. Denn der Teamleiter, der selbst kompetent und bestens vernetzt ist, tritt als Ansprechperson für potenzielle Arbeitgeber auf, wodurch Teammitglieder wechseln, die allein schlechte Karten hätten.
Auch Networking lässt sich im Team effizienter gestalten, denn der Kontakt eines Mitglieds zu einem Headhunter oder einen künftigen Arbeitgeber lässt sich gewinnbringend für alle nutzen.
Anschließend sollte die Selbstvermarktung in Angriff genommen werden. Die Adhoc-Mitteilungen von Bloomberg und Reuters sind dazu ein bewährtes Mittel. Dort muss das eigene Profil sorgfältig gepflegt werden, damit auch jeder weiß, was für ein bedeutendes Team wechselt. Das steigert den Marktwert.
Der neue Arbeitgeber freut sich indes nur so lange, bis dieser nüchtern von seiner Erfolgstrunkenheit geworden ist und erkennt: Die versprochenen Zahlen, Leistungen und Erfolge treten nicht ein - und waren auch beim alten Arbeitgeber niemals erreicht worden, wie man dann erfährt, da sich die Chefs untereinander auch austauschen und Informationen einholen - nachdem das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Allerdings befindet sich der Manager dann in einer prekären Lage: Die Fehlentscheidung zur Einstellung ganzer Teams lässt sich schlechter rechtfertigen als bei Einzelpersonen. Der Fehler droht auf den Manager zurückzufallen. Somit werden erstklassige Referenzen ausgestellt und das gesamte Team - hoffentlich rasch - zum nächsten Arbeitgeber weggelobt.
3. Kurzsichtigkeit als Chef-Krankheit
Kurzsichtigkeit scheint ein Leiden zu sein, dass ebenfalls in Führungsposition weit verbreitet ist. So haben viele Manager die Booms von 1998 bis 2001 und von 2005 bist 2008 kritiklos mitgemacht. Die Geschäfte liefen glänzend, die Analysten überschlugen sich mit guten Einschätzungen, die Vergütungen kletterten und es griff die Auffassung um sich: "The sky is the limit" - es gibt keine Grenzen mehr.
In dieser Phase stellten viele Bankmanager jeden ein, der seinen Namen korrekt unter einen Arbeitsvertrag schreiben konnte. Manch ein Mitarbeiter schaute ungläubig seinen Tischnachbar an, wenn allmonatlich drei oder vier Seiten mit den Namen von Neueinstellungen per Email verbreitet wurden.
Der Absturz und die folgende Entlassungswelle ließen nicht lange auf sich warten. Doch während die normalen Mitarbeiter, die erfolgreich ihren Job gemacht haben, vor die Tür gesetzt wurden, blieb auf dem Chefsessel alles beim Alten. Für die Kurzsichtigkeit des Managements mussten also andere büßen.
4. Bauernopfer helfen immer
Gleich auf welcher Hierarchiestufe sich ein Manager befindet, es gibt immer jemanden, der niedriger steht und sich daher als Bauernopfer anbietet. So kenne ich einen Fall, bei dem über Strategien gestritten wurde, bei denen mit Hebeleffekt und erhöhtem Risiko der schnelle Euro gemacht werden sollte. Nach einigen Monaten des Misserfolgs und endloser Diskussionen zwischen Händler, Vorstand und Aufsichtsrat waren 20 Prozent des Eigenkapitals verpulvert.
War der Händler alleine schuld? Sicher sollte dieser ein Gespür dafür haben, wann man Positionen schließt und nicht darauf hoffen, dass alles gut läuft. Allerdings bestand auch in der Risikokontrolle ein Manko und ein Vorstand war vollkommen in die Handelstransaktionen involviert.
Der eigentlich handelnde Vorstand blieb natürlich in Amt und Würden. Stattdessen musste der zweite Mann gehen, dann sollte die Managementversicherung greifen und zahlen.
Im Banking gilt leider oftmals die Regel, dass für die Erfolge die Vorgesetzten verantwortlich sind, während die Misserfolge gemäß der Schwerkraft auf die Untergebenen zurückfallen.
Unser Gastkolumnist hat bei verschiedenen Adressen gearbeitet und die "Konsolidierung" des deutschen Bankensektors am eigenen Leib erfahren.