Doktor nutzlos? Wo eine Promotion bei der Karriere weiterhilft und wo nicht
Kein Zweifel: Ein Doktortitel schmückt eine Visitenkarte ungemein. Vielleicht liegt hierin auch ein Grund, weshalb die Zahl der Promotionen in Deutschland unablässig steigt. Während das Statistische Bundesamt in 1993 noch gut 21.000 Promotions-Prüfungen zählte, waren es in 2011 schon beinahe 30.000 – ein Plus von 28 Prozent. Doch lohnt sich die Anstrengung aus Karrieresicht überhaupt?
Promotion wird auf dem Arbeitsmarkt kaum honoriert
„Als jemand, der selbst promoviert hat, weiß ich, dass eine Promotion eine sehr anstrengende Angelegenheit ist“, erzählt Headhunterin Sabrina Tamm von Financial Talents in Frankfurt. Tamm hat selbst in BWL über Unternehmensbewertung promoviert. Dennoch sieht die ehemalige Investmentbankerin den Nutzen eines Doktortitels für die Karriere überaus skeptisch. „Eine Promotion wird so gut wie gar nicht honoriert“, ergänzt Tamm. Entsprechend fänden sich im Investmentbanking auch nur wenige Mitarbeiter mit den beiden Buchstaben vor dem Namen.
Durch die jahrelange Arbeit an der Promotion werde der Berufseinstieg überdies nach hinten verlagert, womit die Doktoren sogar einen veritablen Nachteil hätten. Noch dazu handelt es sich bei einer Promotion um ein anstrengendes Projekt. „Viele Leute denken, dass die Schwierigkeit einer Promotion in der analytischen Arbeit bestehe“, erzählt Tamm. Doch dies sei nur zum Teil richtig. „Die eigentliche Schwierigkeit einer Promotion besteht darin, sich über einen längeren Zeitraum immer wieder zu motivieren und die Arbeit zu einem positiven Abschluss zu bringen“, betont Tamm. „Dennoch möchte ich meine Promotionszeit nicht missen. Es kann auch Spaß machen.“
In England sorgen die zwei Buchstaben gelegentlich für Erheiterung
Auch international stellen promovierte Banker eher die Ausnahme dar. „In Großbritannien wirkt eine Promotion manchmal sogar komisch, besonders wenn die Leute den Titel auch noch führen“, sagt Tamm. Die Headhunterin erinnert sich an einen Vorfall, als sie noch als Investmentbankerin tätig war. Bei einer Weihnachtsfeier in der Londoner City hatte die Bank diverse Taxis für Führungskräfte reserviert. In den Windschutzscheiben hingen Schilder mit den jeweiligen Namen der Manager. Nur in einem Taxi hing ein Schild „German Doctor“, was unter den Bankern für reichlich Erheiterung sorgte.
Allerdings gibt es auch Ausnahmen. So arbeiten laut Tamm eine Reihe von promovierten Mathematikern und Physikern in der Preisfindung derivativer Produkte. „Da zieht jeder nur den Hut vor. Die sind auch bei amerikanischen Banken sehr angesehen“, sagt Tamm. Dagegen sei für die Risikomessung bei Banken zwar ebenfalls ein mathematisch-naturwissenschaftlicher Abschluss erforderlich, nicht jedoch eine Promotion.
Doktortitel stellt keinen Karriereexpress dar
Ganz ähnlich sieht dies Executive Search Consultant Sina Schahram-Nia, Partner bei Everest Principals in Frankfurt. „Schaden kann eine Promotion nicht. Ob sie aber wirklich nützt, ist eine andere Frage“, sagt der ehemalige Goldman-Sachs Investmentbanker. So würden Promotionen in Anforderungsprofilen von Banken selten nachgefragt. „Viele glauben, dass sie nach einer Promotion automatisch einen Job bekommen“, ergänzt Schahram-Nia. Mit einer Promotion würde man aber nicht automatisch den Karriereexpress besteigen.
Wann eine Promotion dennoch sinnvoll ist
Schahram-Nia hat selbst im kalifornischen Berkeley und an der London School of Economics studiert und berät heute noch als Berkeley-Alumnus u.a. Young Professionals. Dabei komme auch gelegentlich das Thema Promotion zu Sprache. „Ich rate immer: Wenn Du einen Doktortitel machen möchtest, dann mach es, weil Du an dem Thema interessiert bist“, sagt Schahram-Nia. Falls die angehenden Finanzprofis indes eine Promotion allein aus Karrieregründen anstreben, dann münde dies oft in Enttäuschung.
Dennoch könne eine Promotion durchaus von Vorteil für die Karriere sein. So würde ein Großteil der Vorstandsmitglieder bei deutschen Großunternehmen – nicht nur bei Banken – den Titel führen. Die renommierten Strategieberatungen wie McKinsey würden mit „Academic Leave“-Programmen u.a. Promotionen fördern. Darin werden Mitarbeiter bei fortlaufender Bezahlung für eine zusätzliche akademische Ausbildung wie einen MBA oder einer Promotion freigestellt. „Das ist alles sehr teuer und bei den Strategieberatungen arbeiten hoch intelligente Leute. Die würden das nicht anbieten, wenn sie in einer Promotion keinen Mehrwert sähen.“
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