Justizkrimi: Weitere Dresdner Kleinwort-Pleitebanker erhalten Millionenboni
Wer das deutsche Arbeitsrecht für besonders beschäftigtenfreundlich hält, muss jetzt umdenken. So hat jetzt auch ein Singapurer Gericht die Commerzbank zur Nachzahlung von Boni in Höhe von 9,5 Mio. Singapur-Dollar (5,5 Mio. Euro) an zehn ehemalige Investmentbanker der Dresdner Kleinwort verurteilt und das obwohl das Institut in 2008 einen Verlust von 6,3 Mrd. Euro produzierte. Das Institut wurde zwischenzeitlich von der Commerzbank übernommen. Die Bank war bislang nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.
Trotz Milliardenverlusts Boni von 500.000 Euro pro Kopf
Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte ein Londoner Gericht die Commerzbank zur Zahlung von umgerechnet 52 Mio. Euro an 104 ehemalige Investmentbanker verurteilt. Jeder strich also die Kleinigkeit von 500.000 Euro ein. Dagegen hatte das Bundesarbeitsgericht die nachträgliche Streichung der Boni für ihre deutschen Mitarbeiter für rechtmäßig gehalten. Sie gehen also bei dem Justizkrimi um das große Geld leer aus.
Der Singapurer Justizkommissar Lionel Yee kommt jetzt zu dem gleichen Ergebnis wie das Londoner Gericht. „Ich befinde, dass die Kläger berechtigt sind zum Erhalt des Differenzbetrags von 90 Prozent des Bonuses, der am 19. Dezember 2008 angekündigt wurde und der im Februar 2009 nicht ausgezahlt wurde. Es handelt sich um einen Vertragsbruch“, schrieb Yee in dem Urteil.
Dabei hat die Vorgeschichte dieser Bonuszahlung schon etwas von einem Krimi an sich. Das 68-seitige Urteil aus Singapur offenbart dabei interessante Details. Konkret:
Garantie- oder Ermessens-Bonus?
So hatte Dresdner Kleinwort am 19. Dezember 2008 folgenden Brief über den fraglichen Bonuspool von 400 Mio. Euro an die betreffenden Mitarbeiter geschickt: „Die vorläufig zugesagte Prämie unterliegt der Überprüfung, falls nachträglich wesentliche Abweichungen bei den Erträgen und Ergebnissen eintreten sollten, wie sie in den Prognosen für die Monate November und Dezember 2008 während der Vorbereitung des Jahresgeschäftsberichts für 2008 genannt wurden. Dies bedeutet, dass sich die Ertragssituation von Dresdner Kleinwort in dieser Zeit nicht nachhaltig verschlechtert. Diese wird im Januar 2009 von Stefan Jentzsch (damals Dresdner Kleinwort-Chef) überprüft werden“, heißt es in der E-Mail. „Falls sich solche wesentliche Abweichungen ergeben sollten, behält sich das Unternehmen das Recht vor, die vorläufigen Prämien zu überprüfen und – sofern notwendig – zu reduzieren.“
Eben genau dieser Fall trat ein. Nach der Lehman-Pleite und dem Absturz der Märkte musste die Dresdner Bank für 2008 einen Verlust von 6,3 Mrd. Euro verkraften und infolge dessen wurde der Bonuspool im Februar 2009 um 90 Prozent zusammengestrichen.
Stellt sich die Frage, ob es sich bei den 400 Mio. Euro um Ermessens-Boni (discretionary bonuses) oder um Garantieboni (guaranteed bonuses) handelte. Der Singapurer Justizkommissar Yee hält dies für vertraglich zugesicherte Boni. Ausschlaggebend hierfür war die mündliche Zusage des Bonuspools, die Dresdner Kleinwort-Chef Stefan Jentzsch am 18. August 2008 bei einem Business-Update mündlich gegeben habe.
Dresdner Kleinwort-Chef Jentzsch warnte wegen Mitarbeiterexodus‘ vor Zusammenbruch
Erhärtet werde diese Auffassung durch eine vorangehende E-Mail, die Jentzsch am 16. Mai 2008 an den Allianzchef Martin Diekmann und andere Vorstandsmitglieder der Allianz und der Dresdner Bank schrieb. Damals gehörte die Bank noch dem Versicherungsriesen. Darin beklagte sich Jentzsch über eine Kündigungswelle, die nach der Ankündigung der Veräußerung des Instituts an die Commerzbank über das Investmentbanking hereinbrach.
Dies betreffe vor allem das Geschäft mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen, im Branchejargon auch als FICC bekannt. „Die Angestellten wechseln entweder individuell oder in Teams vor allem zu Goldman Sachs, Citigroup und Unicredit/HVB. Letztlich sind davon vier von fünf Mitarbeitern aus unserem Analyse-Team betroffen“, schrieb Jentzsch. „Darüber hinaus wissen wir, dass die Mehrheit der Mitarbeiter zu Vorstellungsgesprächen mit Wettbewerbern gehen.“
Andere Passagen hielt Justizkommissar Yee für so wichtig, dass er sie sogar hervorhob. „Im Falle weiterer Kündigungen werden wir nicht mehr in der Lage sein, die Risiken in den verschiedenen Konten zu managen“, warnte Jentzsch. Falls dies so weitergehe „werde das Geschäft innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen.“ Die Bonuszusage diente offenbar dazu, dies abzuwenden. Mithin dürfen sich die Pleitebanker über Boni von rund 500.000 Euro pro Kopf freuen.
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