Wie sich Freizeit nach einem 14-Stundentag bei Goldman Sachs anfühlt
Es ist vorbei: Weihnachten, Schifahren oder Tauchen auf Mauritius sind passé. Statt der Urlaubszeit stehen jetzt Brexit, Trump und deren Folgen auf dem Programm. Wenn Sie wieder zurück bei der Arbeit sind, dann fragen Sie sich womöglich, wie die Leute mit einem Zwölfstundentag zurechtkommen. Einen interessanten Einblick gewährt Mai Le, die auf ihrem Blog von ihrem Alltag als Associate in der Investment Banking Division von Goldman Sachs berichtet. Dabei handelt es sich um die wenigen Blogs, die Probleme offen und ehrlich ansprechen.
Le gehört zu den glücklichen Nachwuchsbankern von Goldman Sachs. Nach einem Studium an der London School of Economics hat sie 2014 bei der US-Investmentbank angefangen. Sie kam in den Genuss der Expressbeförderungen für junge Banker und wurde ein Jahr früher als üblich zum Associates ernannt. Goldman Sachs strengt sich an, das Leben von Les Generation leichter zu gestalten. Samstagsarbeit ist mittlerweile weitgehend verboten und viele Arbeitsabläufe werden automatisiert. Dennoch muss auch Le hart arbeiten und mit den psychologischen Folgen der langen Arbeitszeiten vor einem Computerbildschirm zurechtkommen.
„Ich arbeite jeden Tag bis sehr spät – durchschnittlich 12 bis 14 Stunden pro Tag. Wenn man die Schlafenszeit abrechnet, dann bleiben mir nur rund drei Stunden pro Tag für mich selbst“, schreibt sie in ihrem jüngsten Blog. „Es gibt vieles, was ich in diesen drei Stunden machen möchte. Ich möchte schreiben, lesen und mir auch etwas Zeit für mich selbst nehmen.“
Doch bei einem 14-Stundentag klingen drei Stunden Freizeit wie ein Wunschtraum. Denn dies setzt voraus, dass Le nahe bei der Arbeit wohnt, weniger als sieben Stunden pro Tag schläft und ihre Kleidung und Wohnung nicht selbst reinigt. Offensichtlich hat sie auch keine Kinder, die locker drei oder mehr Stunden pro Tag beanspruchen.
Weiter vertritt Le die Auffassung, dass sie eine wirksame Methode gefunden habe, um ihr inneres Gleichgewicht trotz der langen Arbeitszeiten zu wahren. Sie hat drei Dinge bestimmt, die sie in ihrer Freizeit machen möchte und reserviert regelmäßig eine Stunde für sie. Falls Sie eine Reihe von Büchern lesen wollen, dann sollten Sie jeden Tag eine Stunde fürs Lesen einplanen, empfiehlt Le. Falls Sie fit werden wollen, dann sollten sie eine Stunde täglich Sport betreiben und wenn Sie schreiben möchten…
Le bezeichnet ihren Ansatz als „Zersetzung“ der Projektmanagement-Theorie. „Bevor mir das bewusst war, erlaubte mir die Beständigkeit 20 bis 30 Stunden zu schreiben oder Lesen und Sport ähnlich lang zu betreiben.“
Ob Les Methode bei elterlichen Pflichten mit 30 Minuten für sich selbst pro Tag ebenfalls funktionieren würde, ist weniger klar. Allerdings könnte Les Ansatz ein wenig Hoffnung für junge gestresste Investmentbanker darstellen, die in die Mühlen der Nachweihnachtszeit zurückgekehrt sind.