Goldman-Junior beklagt die Mittelmäßigkeit von Neueinstellungen
Fällt der Einstieg bei Goldman Sachs zu leicht? Da das Unternehmen nur etwa 3 Prozent der Bewerber tatsächlich anheuert, scheint dies kaum der Fall zu sein. Allerdings mehren sich in der jüngsten Zeit Klagen über die Mittelmäßigkeit der aktuellen Analysten und Associates. Dies geht z.B. aus einem Eintrag auf der Branchenwebsite Glassdoor hervor, die angeblich von einem Analysten stammt, der „seit mehr als einem Jahr“ bei der US-Investmentbank beschäftigt ist. Demnach befinde sich das Unternehmen „in einem langen Niedergang, wie eine Unternehmensversion des Römischen Reiches.“ Die aggressive Suche nach einer alternativen Unternehmensführung habe dazu geführt, dass die Ansprüche an die Mitarbeiter gesunken seien.
„Sie haben die Barbaren hineingelassen“, klagt der Autor. Die neue Kultur der Mittelmäßigkeit habe die lang gewachsene Kultur der „Gier“ abgelöst, die auf „Verdiensten, Zusammenarbeit und Wettbewerb“ beruht habe. Doch es kommt noch schlimmer: Angeblich behindere das mittelmäßige Personal die qualitativ besseren und kompetenteren Juniors, die auf „schmaleren, leistungsorientierteren Schiffen“ segeln wollten, was mehr unternehmerische Chancen biete.
Goldman Sachs antwortete nicht auf eine Anfrage zu einer Stellungnahme. Tatsächlich stellt der Forumseintrag eines – offenkundig verstimmten – Angestellten, der kaum mehr als zwölf Monate bei dem Unternehmen verbracht hat, nicht den besten Indikator für den Verfall der Unternehmenskultur bei Goldman Sachs dar. Allerdings bestätigen junge Investmentbanker von Goldman Sachs, dass der Eintrag intern zirkuliert und auf einiges Echo gestoßen sei.
2016 sind einige der besten Juniors zu Private Equity-Gesellschaften gewechselt. Es stellt gewiss auch keinen neuen Trend dar, dass junge Investmentbanker mit einigen Jahren Berufserfahrung in die Private Equity-Branche, zu IT-Unternehmen oder andere Corporates wechseln. In der Vergangenheit haben die jungen Investmentbanker jedoch mindestens zwei Jahre mit dem Absprung gewartet.
Der anonyme Kritiker macht für den Niedergang der elitären Kultur von Goldman Sachs vor allem die Personalabteilung verantwortlich. „Bedauerlicherweise sei diese wenig kompetent, erbärmlich langsam und … überbesetzt wie die Produktionslinien der Sowjetunion.“ Scharf kritisiert wird vor allem der Interview-Prozess, der unter dem Titel „Hirevue“ firmiert. Dieser soll eigentlich den Bewerbungsprozess fairer gestalten, indem die Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften digital bewertet werden und weniger Wert auf die besuchte Uni oder extra-curriculare Aktivitäten gelegt wird. „Vorstellungsgespräche per Video sind eine dumme Idee“, schreibt der Junior. Vielmehr fordert er, dass Goldman Sachs nur von sehr guten bis guten Unis einstelle und zwar „nur die wirklich außerordentlichen Kandidaten aus diesen Pools.“
Nach unseren Recherchen verfügt Goldman Sachs jedoch bereits über eine ausgeprägte Vorliebe für Eliteunis – besonders was Stellen im Front Office betrifft. Doch wie andere Banken steht Goldman Sachs unter Druck, ihre Einstellungen breiter aufzustellen und sich nicht allzu sehr auf Bewerber aus der oberen Mittelklasse zu fokussieren. Doch mit diesem neuen Ansatz scheint Goldman Sachs Gefahr zu laufen, Elitestudenten abzuschrecken, die eben dort wegen ihrer elitären Kultur einsteigen wollen.