Zehn Jahre danach: Wie die Finanzkrise den Schweizer Banker verändert hat
Vor ziemlich genau zehn Jahren musste die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden. In der Schweiz kam die Finanzkrise zuerst bei der UBS an. Nachdem die Bank in den vorhergehenden Monaten bereits Abschreibungen von 40 Mrd. Franken vorgenommen hatte, mussten Schweizerische Nationalbank und Eidgenossenschaft am 16. Oktober 2008 mit einer Garantie von 60 Mrd. Franken die größte Schweizer Bank vor dem Untergang bewahren.
Doch damit nicht genug. Etwa gleichzeitig zwang die US-Justiz die UBS zur Herausgabe von US-Kundendaten. Damit war das wohlgehütete Schweizer Bankgeheimisse eigentlich schon Geschichte, obgleich es noch bis 2014 dauern sollte, bis die Eidgenossen dem automatischen Informationsaustausch zustimmten. Seither hat sich das Anforderungsprofil vor allem an die Mitarbeiter des Wealth Managements gründlich gewandelt.
Vom Farmer zum Hunter
Vor zehn Jahren mussten Schweizer Private Banker nur warten, bis die Tür aufging und ein steuerbedrohter Ausländer mit dem Geldköfferchen vorbeikam. „Damit ließ sich leicht Geld verdienen. Denn die Ausländer konnten ihre Schwarzgelder ja gar nicht so einfach abziehen“, erinnert sich ein Zürcher Finanzprofi, der lieber anonym bleiben möchte. „Er konnte sich keinen Ferrari vor die Haustür stellen, er konnte sich keine Finca auf Mallorca zulegen, er konnte das Geld nicht in sein Unternehmen stecken oder seinen Kindern geben.“ Foglich blieb das Geld in der Schweiz. Mit dem Ende des Bankgeheimnisses sind diese rosigen Zeiten vorbei. Seither muss sich das Schweizer Wealth Management der internationalen Konkurrenz stellen.
„Sicherlich stehen Private Banker heute in größerem Wettbewerb als damals“, erinnert sich Headhunter Peter Vogler von kessler.vogler in Zürich. „Früher spielten z.B. Singapur und Hongkong im Offshore-Wealth Management eine weniger wichtige Rolle. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert.“ Der heutige Schweizer Banker müsse sich daher viel aktiver als früher um Kundenvermögen kümmern. „Er muss eine Jägermentalität entwickeln“, meint Vogler.
„Während früher die Private Banker in der Schweiz eher Farmer waren, sind sie heute Hunter“, sagt auch Stephan Surber, Leiter Financial Services Europa bei Page Executive in Zürich. Damals genügte es lediglich das mitunter ererbte Portfolio zu pflegen, dagegen müsse ein Client Relationship Manager heute beweisen, dass er aktiv Kundenvermögen einwerben könne.
„Die Anforderungen an die Persönlichkeit sind heute viel höher“, betont Headhunter Orlando Bianchi von Bianchi & Partner in Zürich, der früher selbst sieben Jahre im Wealth Management gearbeitet hat. „Man legt mehr Wert auf die Akquisitionsfähigkeit eines Kandidaten und den dazugehörigen Akquisitionswillen.“ Ein Client Relationship Manager müsse Empathie für Kunden mitbringen und Vertrauen aufbauen können. „Da Sie heute nicht mehr kalt akquirieren dürfen, ist auch das Netzwerk viel wichtiger geworden“, ergänzt Bianchi.
Besserer Service gefragt
„Der Service spielt heute ein viel größere Rolle als früher“, sagt Bianchi. Während seinerzeit kaum ein Kunde von seinem Client Relationship Manager belastet werden wollte, erwarte er heute mehr Beratung und verhalte sich preissensitiver. Wer beispielsweise deutsche Kunden betreue, müsse sich mit dem deutschen Steuersystem und den rechtlichen Vorgaben auskennen. Die zunächst steigenden Kosten und sinkenden Erträge haben die Aufwandsertragsquoten zwischenzeitlich ansteigen lassen, so Bianchi. Doch mittlerweile seien sie bei vielen Banken wieder im „grünen Bereich".
Client Relationship Manager müssen besser ausgebildet sein
Der Kundenbetreuer alter Schule hatte häufig eine kaufmännische Lehre hinter sich, arbeitete zunächst in Supportfunktion im Wealth Management und entwickelte sich sukzessive zum Kundenbetreuer weiter. Dagegen wird den modernen Client Relationship Managern deutlich mehr abverlangt. „Wer heute mit einer kaufmännischen Ausbildung anfängt, muss später noch einen Bachelor und Fortbildungen wie den CFA oder AZEK erwerben. Das erwarten die Banken mittlerweile“, betont Surber. Aus diesem Grunde würde beispielsweise die UBS ein internes Masterstudium Wealth Management anbieten.
„Die Konkurrenz ist heute viel stärker geworden. Deshalb bringen Einsteiger mittlerweile meist ein Uni- oder Fachhochschulstudium mit“, ergänzt Bianchi. „Fortbildungen wie im Bereich Tax and Wealth Planning oder fachspezifische Ausbildungen wie AZEK stellen einen Wettbewerbsvorteil dar.“
„Es gibt heute ganz andere Produkte und Instrumente und es werden viel tiefere Produktkenntnisse verlangt“, sagt Vogler. „Um die Beratungsqualität zu erhöhen, werden Zusatzqualifikationen immer wichtiger. Außerdem setzen sich damit Kundenbetreuer von der Konkurrenz ab.“
Durch den höheren Beratungsbedarf haben laut Bianchi auch die Fremdsprachen an Bedeutung gewonnen. „Deutsch und Englisch sind in Zürich heute sowieso Pflicht“, kommentiert Bianchi. Sprachkenntnisse zu den betreuten Märkten wie etwa Spanisch für das Südamerikageschäft kommen hinzu.
Kenntnisse in alternativen Anlageklassen
Was vor zehn Jahren Banker und Volkswirte noch für undenkbar gehalten haben, ist mittlerweile Realität: negative Zinsen. Da heute festverzinsliche Wertpapiere kaum noch Geld abwerfen, haben alternative Anlageklassen wie Immobilien oder Private Equity stark an Bedeutung gewonnen. Entsprechend seien Spezialisten mit einschlägigen Kenntnissen heute gesucht, sagt Surber.
Kenntnisse im Wealth Management reichen nicht aus
Seit der Finanzkrise sind vor allem die schwerreichen Kunden (UNHWI/Ultra high net worth individuals) in der Wertschätzung der Banken gestiegen. Namentlich die beiden Großbanken versuchen diese Klientel zu bearbeiten. „Heute wird eine höhere ,Leverage‘ für diese Kundengruppe angestrebt“, erzählt Surber. „Neben dem Wealth Management sollen ihnen andere Bankdienstleistungen z.B. aus dem Corporate Banking, dem Investment Banking oder dem Asset Management verkauft werden.“
Die UHNWI verhielten sich eher wie institutionelle Investoren, weshalb bereits einige Investmentbanker erfolgreich ins Wealth Management gewechselt seien. Dies hat Folgen für die Anforderungsprofile. „Ein Client Relationship Manager muss die Bank und ihre Produkte auf eine viel breitere Weise kennen als früher.“
Seit rund zwei Jahren steigt die Nachfrage nach Kundenbetreuern wieder
Unterdessen scheinen die schlimmsten Befürchtungen von vor zehn Jahren nicht eingetreten zu sein. Obgleich es Vermögensabflüsse gab, die Zahl der Beschäftigten gesunken und die Konsolidierung der Branche noch nicht abgeschlossen ist, mehren sich doch die aufmunternden Zeichen.
„Seit etwa zwei Jahren registrieren wir wieder eine verstärkte Personalnachfrage aus dem Wealth Management“, berichtet Bianchi. Die Banken hätten sich von weniger interessanten Märkten und Kundengruppen getrennt und sich stärker fokussiert. Nachdem anfänglich die Aufwandsertragsquoten gestiegen seien, befänden sie sich mittlerweile vielerorts wieder im „grünen Bereich“, resümiert Bianchi. „Vor allem die Topadressen des Wealth Managements haben die Restrukturierung mittlerweile hinter sich.“
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