Was stimmt nur mit dem Investment Banking-Chef der Deutschen Bank nicht?
Wenn man Garth Ritchie, dem Investment Banking-Chef der Deutschen Bank, zuhört, dann scheint alles in der Sparte in bester Ordnung zu sein. Noch im Dezember bezeichnete Ritchie das Corporate and Investment Banking des Konzerns als „wettbewerbsstark“ und „beim Marktanteil zulegend“. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auf absehbare Zeit die Nummer 1 unter Europas Investmentbanken bleiben“, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg im Oktober.
Die Deutsche Bank scheint mit Ritchie ebenfalls zufrieden zu sein. Immerhin hat die Bank seinen Vertrag erst im September um fünf Jahre verlängert. In der vergangenen Woche sollen indes zwei Mitglieder des Aufsichtsrats Zweifel an ihm geäußert haben. Einer kritisierte die Performance der Sparte sogar als „miserabel“. Es mache keinen Sinn, dass das umfangreiche Geschäft der Deutschen Bank mit festverzinslichen Wertpapieren von jemandem aus dem Aktiengeschäft geleitet werde.
„Ritchie ist ein Aktienmensch, der ein zweitklassiges Aktiengeschäft leiten kann“
Für den 49jährigen Vater zweier Kinder, der im vergangenen Jahr 3 Mio. Euro verdiente, dürften die Klagen kaum etwas Neues sein. Schon seit der damalige Deutsche Bank-Chef den alten Leiter des Investment Bankings Colin Fan gegen Ritchie und Marcus Schenck austauschte kursieren solche Klagen in den Finanzzentren. Das Aktiengeschäft der Deutschen Bank sei „mittelmäßig“ und Ritchie hätte niemals die Verantwortung für die „Kronjuwelen“ übertragen werden dürfen, als welche viele immer noch das Fixed Income-Geschäft des Konzerns verstehen.
Tatsächlich ist es Ritchie in den Jahren 2008 bis 2015 nicht gelungen, den Marktanteil der Deutschen Bank im Aktiengeschäft zu steigern. Während 2004 die Deutsche Bank noch weltweit die Nummer 4 war, erreichte der Konzern selbst in seinem Heimatmarkt Europa 2015 nur noch einen sechsten Platz. Fortschritt sieht irgendwie anders aus. Dennoch kläffen seine Kritiker irgendwie den falschen Baum an.
Zunächst einmal ist nichts schlecht daran, wenn ein Manager aus dem Aktiengeschäft den gesamten Wertpapierhandel verantwortet. So ist Ted Pick von Morgan Stanley als Aktienmensch ein Turnaround im Fixed Income-Geschäft gelungen. Mit dem Siegeszug des elektronischen Handels und Ritchies Erfahrungen darin könnte er jetzt sogar der genau richtige Mann für die Deutsche Bank sein.
Deutsche Bank-Insidern zufolge habe sich Ritchie für eine Modernisierung der IT-Lösungen im Fixed Income-Geschäft eingesetzt. „Ritchie war ein wichtiger Fürsprecher der Verbesserungen, die uns in unserer Fixed Income-Architektur gelungen ist. Auch ein Großteil unseres Fokus auf den von Algorithmen gesteuerten Handel im Investment Banking stammt von ihm“, erzählt ein Senior Trader. Ein anderer Insider hält ihn gerade wegen seines Hintergrunds im Aktienhandel für den richtigen Mann, um den elektronischen Handel mit festverzinslichen Papieren auf Vordermann zu bringen. Tatsächlich hat der Aktienhandel schon viel früher als der Anleihehandel mit der Digitalisierung begonnen.
Seine Anhänger bestreiten auch den Vorwurf, dass er das Aktiengeschäft schlecht manage. „Mal ganz ehrlich: Das Aktiengeschäft läuft jetzt schlechter als unter ihm“, erzählt ein Trader. „Als Ritchie das Aktiengeschäft leitete, war es noch profitabel wie ehedem“, erzählt ein anderer Deutsche Bank-Mitarbeiter aus dem Marktgeschäft. „Der Aktienmarkt ist im Allgemeinen ein sehr schwieriges Geschäft“, sagt ein Insider. „Die besten zwei oder drei Leute verdienen Geld und darunter wird es sehr schwierig. Das hängt von der Größe und Skalierung des Geschäfts ab. In Europa liegen wir im Vergleich zu unseren Wettbewerbern vorn, aber das US-Geschäft ist einfach viel größer … [wo die Deutsche Bank schwach ist].“
Das Fixed Income-Geschäft schrumpft, gewinnt aber Marktanteile
Laut Ritchie habe die Deutsche Bank Marktanteile im Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren hinzugewonnen. Das geschah allerdings in einem schrumpfenden Markt, weshalb die Erträge im Trading im dritten Quartal 15 Prozent unter dem Vorjahreswert lagen. Lediglich bei der Credit Suisse lief es noch schlechter. Dagegen sind die Erträge der Deutschen Bank im Vergleich zum zweiten Quartal nur um 4 Prozent zurückgegangen, während es bei Barclays z.B. 6,5 Prozent gewesen sind. Womöglich hat die Bank damit sogar schon den Tiefpunkt durchschritten, obgleich die Erträge noch nicht angezogen haben.
Noch wichtiger dürfte indes sein, dass Ritchie innerhalb der Bank über wichtige Fürsprecher verfügt. Laut der Financial Times habe Aufsichtsratschef Paul Achleitner all sein Gewicht für die Verlängerung Ritchies Vertrag eingesetzt. Fixed Income-Trader charakterisieren Ritchie als fair und kompetent. Er habe zur Stabilisierung des Geschäfts beigetragen. Ohne ihn hätte die Bank wohl mehr Abgänge verkraften müssen. „Er hat den Respekt von Schlüsselpersonen im FICC-Geschäft und er hat die richtigen Leute in den Schlüsselpositionen“, erzählt ein Senior Trader. „Er gehört nicht zu den Leuten, die Jobs an Freunde verteilen.“ Ein anderer Mitarbeiter beschreibt Ritchie als beständig und ehrlich. Er würde niemanden aus persönlichen Gründen vorziehen.
Ritchie versäumte Veränderungen an der Spitze
Einige werfen ihm aber auch Versäumnisse bei harten Entscheidungen vor. „Er hat keine wirklich bedeutenden Veränderungen im Management des Fixed Income-Teams vorgenommen“, meint ein Managing Director der Deutschen Bank. „Aus Führungssicht ist er sehr gut und stellt einen tollen Kollegen dar. Doch abgesehen davon stützt er sich auf die gleichen Leute wie zuvor. Das FICC-Geschäft benötigt eine Umstrukturierung, aber dafür kennt er sich im Geschäft nicht gut genug aus.“
Die Deutsche Bank lehnte eine Stellungnahme zu diesem Artikel ab, doch die Insider wollen die negativen Schlagzeilen nicht überbewerten. „Ritchie kann schon als sehr ‚easy-going‘ herüberkommen, aber er ist sehr schlau und gerissen“, erzählt ein Insider. „Er verfügt über eine Reihe von Vertrauten aus seiner Zeit als Aktienchef, mit denen er sich umgibt und ihm ist es gelungen, für lange Zeit im Geschäft zu bleiben.“
Ritchie sei schon oft ein Untergang vorhergesagt worden und er sei immer noch da. „Von Marcus Schenck wurde erwartet, dass er übernehmen würde. Doch am Ende sollte es genau umgekehrt kommen.“ Nach einer Auszeit ist der ehemalige Deutsche Bank-Vorstand Schenck übrigens wiederaufgetaucht und zwar als künftiger Partner bei Perella Weinberg. So mancher Mitarbeiter weint indes Schenck keine Träne nach. „Ich würde sicherlich Garth Marcus vorziehen. Fürs Trading wäre das eine sehr schlechte Lösung gewesen.“