Point of return: Wann deutsche Investmentbanker aus London abhauen sollten
Als Hauptgrund, wieso die Briten 2016 für den Brexit gestimmt haben, gilt die ungezügelte Immigration vom Kontinent. Mit dem Brexit wollten viele Briten die Kontrolle über die Einwanderung zurückgewinnen. Von daher fragen sich viele Europäer in London, was noch auf sie zukommt.
Doch auch ohne irgendwelche Restriktionen oder sonstige Gemeinheiten gegen Europäer in London könnte sich das Problem von ganz alleine erledigen, indem viele Einwanderer freiwillig dahin zurückgehen, wo sie hergekommen sind. Und dies aus einem einfachen Grund: Sie können daheim mehr verdienen als auf der abgehängten Insel.
Denn seit dem Referendum befindet sich das Pfund auf Talfahrt. Während die britische Währung am 23. Juni 2016, dem Tag des Referendums, noch stolze 1,3139 Euro Wert war, schloss es am gestrigen Mittwoch (15. Juni) bei schmalen 1,0879 Euro – ein Minus von 17,2 Prozent. Allein seit Jahresbeginn hat das Pfund 2 Prozent nachgegeben und notiert damit auf dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise.
Wenn im Zuge des harten Brexits der Pfundabsturz noch einmal an Fahrt gewinnt, dann ist schnell der Punkt erreicht, wann Banker in Deutschland mehr verdienen als in London. Die Rechnung ließe sich ganz ähnlich auf IT-Profis oder Bauarbeiter übertragen. Auch die Unterschiede zwischen Deutschland, Österreich oder Frankreich dürften minimal sein. Nur für Schweizer gilt das nicht: Sie verdienen schon heute in London weniger als in Zürich.
Zur Beantwortung der Frage haben wir die aktuellen Daten für die Festgehälter von der Londoner Personalberatung Dartmouth Partners mit denen der Frankfurter Personalberatung Banking Consult für Investment Banking Juniors zur Grundlage genommen und ausgerechnet, wie hoch sie beim aktuellen Pfundkurs von 1,0879 Euro ausfallen.
Ein Vergleich zwischen der Investment Banking-Bezahlung in Frankfurt und London fällt gar nicht so leicht. Während die Gehälter nach den Daten der Personalberatung Banking Consult in Frankfurt bei einem Analysten im ersten Jahr bei 60.000 Euro beginnt, sind es in London laut Dartmouth Partners 50.000 Pfund oder 54.400 Euro.
Insgesamt – Gehälter plus Boni – liegt die Gesamtvergütung bei einer US-Investmentbank in London bei etwa 84.000 Pfund. In Frankfurt fallen die Zahlen in Euro ganz ähnlich aus. Doch angesichts des Pfundkurses von 1,0879 Euro liegen die Gesamtvergütungen noch immer rund 9 Prozent höher als in Frankfurt.
Mit anderen Worten: Das Pfund muss um weitere 9 Prozent fallen, bis die Londoner Gesamtvergütungen wirklich unter das Frankfurter Niveau fallen. Ein Umzug macht wahrscheinlich aber erst Sinn, wenn das Pfund um 20 Prozent abstürzt.
Zu einer genaueren Analyse haben wir Gehälter, Boni und Gesamtvergütung separat verglichen
Während Banking Consult für einen Analysten im ersten Jahr wie gesagt etwa 60.000 Euro veranschlagt, beziffert Dartmouth Partners das Gehalt auf 50.000 Pfund oder knapp 54.400 Euro. Bei Analysten im dritten Jahr sind es 75.000 Euro in Frankfurt und umgerechnet 65.300 Euro in London.
Bei einem Pfundkurs von 1,3139 Euro vom 23. Juni 2016 wäre diese Rechnung noch ganz anders ausgefallen. Demnach hätten Analysten im ersten Jahr in Frankfurt 60.000 und in London 65.700 Euro verdient und Analysten im dritten Jahr 75.000 Euro in Frankfurt, aber 78.800 Euro in London.
Falls die Daten von Dartmouth Partners und Banking Consult zutreffen sollten, dann steigen die Gehälter in London im Karriereverlauf deutlich schneller als in Frankfurt an. Während ein frisch gebackener Associate in Frankfurt mit 83.000 Euro rechnen kann, sind es in London umgerechnet schon 87.000 Euro. Bei einem Associate im seinem letzten Jahr bzw. einem frischgebackenen Vice President sind es 110.000 Euro in Frankfurt und 130.500 Euro in London.
Um unter 110.000 Euro zu fallen, müsste das Pfund auf 84 Cent abstürzen. Mit Boris Johnson als Premier und einem harten Brexit liegt dies durchaus im Rahmen des Möglichen.
Freilich fällt die Rechnung etwas anders aus, wenn man die zum Teil horrenden Boni hinzurechnet. Da die Spannen der Boni zwischen den einzelnen Instituten gewaltig ausfallen, sind diese Werte mit Vorsicht zu genießen. Demnach hat ein Analyst bei Tier 1 und 2 Investmentbanken für 2018 in London zwischen 10.000 und 51.000 Pfund oder knapp 11.000 bis gut knapp 55.500 Euro eingestrichen. In Frankfurt waren es dagegen zwischen 10.000 und 42.500 Euro. Bei Associates in London lag die Spanne zwischen umgerechnet 27.200 und 91.400 Euro und in Frankfurt zwischen 28.000 und 120.000 Euro.
Bei der Gesamtvergütung ergibt sich bei Analysten in London eine Spanne von umgerechnet 65.300 bis 136.000 Euro in London und 60.000 bis 127.000 in Frankfurt. Bei den Associates sind es in London umgerechnet 114.200 bis 239.300 Euro und in Frankfurt 98.000 bis 240.000 Euro.
Demnach verdienen die Londoner Analysten noch immer 7 bis 9 Prozent und die Associates 0 bis 16 Prozent mehr als ihre Frankfurter Kollegen. Wenn jedoch das Pfund weiter abstürzt und die Boni aufgrund einer Brexit-Rezession in London einbrechen, dann ist der Zeitpunkt zum Umzug gekommen.
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