Wieso Goldman Sachs ins deutsche Retailgeschäft drängt und die Commerzbank daran scheitert
Das Geschäftsmodell der Filialbank scheint ausgedient zu haben. Sukzessiv entwickelt sich die Commerzbank offenbar weg von der Filialbank hin zu einer Online-Bank wie ING in Deutschland. So will der Konzern in den kommenden Jahren 4300 weitere Stellen einsparen und 200 der 1000 Filialen dichtmachen. Umgekehrt sollen 2000 neue Stellen offensichtlich im IT-Umfeld geschaffen und Comdirect mit der Commerzbank verschmolzen werden. Unterdessen wollte sich die Commerzbank nicht dazu äußern, welche Profile künftig geschaffen und welche gestrichen werden sollen.
Derzeit sind die Stellenausschreibungen noch sehr filiallastig. Von den rund 750 in Deutschland ausgeschriebenen Stellen entfallen noch immer rund drei Viertel auf die „Kundenberatung“ und damit aufs Filialgeschäft. Dagegen entfällt nur jede zehnte offene Stelle auf die IT.
Dabei lässt sich mit einer Bank mit starker Betonung des Retailgeschäfts und angeschlossenem Corporate and Investment Bankings sehr wohl Geld verdienen, wie der Online-Rivale ING belegt, der allerdings auf Filialen verzichtet. Und dies stellt auch den Grund dar, wieso das Geschäft selbst für Goldman Sachs interessant ist. Dies belegt ein Vergleich zwischen Commerzbank und ING.
Mitarbeiter generieren nicht genügend Erträge
Das Kernproblem der Commerzbank besteht darin, dass ihre Mitarbeiter pro Kopf einfach zu geringe Erträge erwirtschaften. Während laut dem Geschäftsbericht jeder der knapp 4800 Beschäftigten von ING 2018 rein rechnerisch Erträge von über 523.000 Euro generierte, brachten es die gut 49.400 Beschäftiggen von der Commerzbank auf nur magere 175.000 Euro pro Kopf - also auf nur wenig mehr als ein Drittel.
Da hilft es auch nicht weiter, dass die zweitgrößte deutsche Bank bei der Bezahlung der Mitarbeiter spart. So belief sich der Personalaufwand der Commerzbank 2018 auf keine 70.000 Euro pro Kopf, worin sich der hohe Anteil von Filial- und Back Office-Mitarbeitern und der geringe Anteil von Corporate and Investment-Bankern niederschlägt. Dagegen waren es bei ING immerhin gut 98.500 Euro.
Jeder ING-Beschäftigte steht für einen Vorsteuergewinn von 276.000 Euro
Kein Wunder, dass die Commerzbank wenig profitabel ist. Jeder der 49.400 Mitarbeiter trug keine 25.000 Euro zum Vorsteuergewinn des Konzerns von gut 1,2 Mrd. Euro im Jahr 2018 bei. Dagegen generierte jeder der knapp 4800 ING-Mitarbeiter fast 276.000 Euro – also mehr als das Zehnfache der Commerzbank-Kollegen. Entsprechend fällt der Vorsteuergewinn der kleinen ING mit gut 1,3 Mrd. Euro höher als bei der Commerzbank aus.
Während die Commerzbank mit einer Kostenquote von 80,3 Prozent kämpfen musste, waren es bei ING nur 47 Prozent. Für jeden Euro Ertrag musste ING also lediglich 47 Cent auf den Tisch legen.
Gute Gewinnchancen im deutschen Online-Banking locken sogar Goldman Sachs an
Die altbekannte Klage, dass man im Zeitalter der Minizinsen kein Geld im Retailbanking verdienen könne, erweist sich somit als unzutreffend. Vielmehr hat offenbar das Geschäftsmodell der Filialbank zugunsten der Online-Bank ausgedient. Von daher verwundert es wenig, dass ausgerechnet die US-Investmentbank Goldman Sachs nach den USA und Großbritannien mit ihrer neuen Plattform „Marcus“ ins deutsche Retailgeschäft einsteigen will.
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