Wie IT-Profis im Banking erstklassige Leistungsbeurteilungen erhalten
Die Saison der alljährlichen Leistungsbeurteilungen steht bei den Großbanken kurz bevor. Darauf folgen unmittelbar die Bonusplanungen und dann die langen Gesichter, wenn Sie ab Januar Ihren Bonus fürs alte Jahr erfahren.
Aus Sicht der Personalabteilung handelt es sich bei den Leistungsbeurteilungen lediglich um einen Papierkrieg, der über Beförderungen und Bezahlung entscheidet. Damit wird weiterhin bekräftigt, dass es Regeln gibt und jedermann gleich behandelt wird. Doch nach der vielfachen Überarbeitung der Prozesse der Leistungskontrolle sind die Zweifel an dieser ohnehin dubiosen Idee weiter gestiegen. Vor allem IT-Experten bei Banken haben bei den Leistungsbeurteilungen mit Vorurteilen zu kämpfen, weshalb ich hier Ihnen meine Erfahrungen mitteilen möchte.
Als ich noch bei Goldman Sachs beschäftigt war, hatten sie dort ein recht sonderbares Beurteilungssystem, was seither durch ein Feedback-System in „real time“ ersetzt wurde. Sie mussten die Mitarbeiter auf einer Skala von 1 bis 9 nach unterschiedlichen Kategorien beurteilen, wobei in IT eine 6 für „durchschnittlich“ stand, 7 für „anständig“, 8 für „sehr gut“ und 9 „für ein kleines Wunder“. Alles unter 6 bedeutete hingegen, dass die Zeit für Sie abläuft. Das Problem dabei: Im Front Office gaben sich die Leute gegenseitig stets 8er und 9er. Sie vermieden es, sich gegenseitig schlecht zu beurteilen und ließen stattdessen die Ertragszahlen für sich sprechen. Das funktioniert zwar im Front Office, nicht aber in der IT. Die Leute aus dem Front Office haben das System gewissermaßen ausgetrickst.
Nachdem ich in der IT von verschiedenen Banken gearbeitet habe, weiß ich, dass jedes Team seine eigene Kultur hat, wie solche Leistungsbeurteilungen aussehen. Bevor Sie einen Kollegen beurteilen, müssen Sie sich über diese Kultur informieren. Oft herrscht die Einstellung, dass eine Hand die andere wäscht, weshalb Sie niemals ein schlechtes Feedback geben oder die Kritik extrem „konstruktiv“ ausfällt. Doch ich habe auch schon Teams erlebt, in denen die Mitglieder sich gegenseitig auf geradezu brutale Weise ehrlich beurteilten. Bevor Sie einer Beurteilung auch nur nahe kommen, müssen Sie herausbekommen, welche Etikette in Ihrem Team herrscht, vor allem weil die Systeme heute im Allgemeinen deutlich ehrlicher als in der Vergangenheit sind.
Dabei stellt die Selbstbeurteilung die wichtigste Angelegenheit dar, an der Sie während des gesamten Jahres arbeiten, was besonders für IT-Experten gilt. Beim Software Engineering handelt es sich gleichermaßen um Kunst und Wissenschaft, weshalb viele subjektive Beurteilungen möglich sind. Daher müssen Sie Ihren Vorgesetzten in Ihrer Selbstbeurteilung an all die kleinen Dinge erinnern, die Sie geleistet haben und er womöglich vergessen hat und diese mit Daten unterfüttern. Sie können sich z.B. anschauen, wie Sie gegenüber Ihren Kollegen beim Code-Testing abschneiden, welche Kommentare Ihre Arbeit erhalten hat und wie viele Hilfsanfragen Sie abgearbeitet haben. Jede Zahl, bei der Sie im Vergleich zu Ihren Kollegen gut abschneiden, hilft weiter und Sie sollten niemals voraussetzen, dass Ihrem Vorgesetzten das bewusst ist.
Ihre Selbstbeurteilung stellt hingegen nicht den richtigen Ort dar, um alle Ihre persönlichen und beruflichen Fehler aufzulisten. Versuchen Sie Ihre Entwicklungsaufgaben so vage wie irgend möglich zu fassen. Ich führe immer an: „Muss mehr über das Geschäft lernen.“
Als IT-Mitarbeiter einer Bank müssen Sie vor allem ein gutes Verhältnis zu Ihrem Vorgesetzten pflegen. Schließlich handelt es sich um genau die Person, die Ihre Beurteilung und Vergütungszahlen ausfüllt. Auch wenn Ihr Vorgesetzter dies sicherlich mit anderen Führungskräften abstimmt, ist es doch seine Meinung, die den Ausschlag gibt. Daher sollten Sie sich regelmäßig mit Ihrem Vorgesetzten zu Gesprächen unter vier Augen treffen, transparent sein, damit es zu keinen Überraschungen kommt und Sie letztlich das liefern, was sie von Ihnen wollten. Sie müssen sich um die besten Projekte bemühen, Ihren Vorgesetzten sofort mitteilen, wenn Sie sich unterbezahlt fühlen und Ihren Weg zu Ihrer nächsten Beförderung gut ausarbeiten. Sie und Ihr Vorgesetzter müssen sich gegenseitig als Asset betrachten.
Wenn Sie Ihren Vorgesetzten nicht mögen oder ihn für ineffizient halten, haben Sie offenbar ein Problem. Dann müssen Sie ihm zu helfen versuchen und sich gleichzeitig nach etwas anderem umschauen. Auch lohnt es sich, ein gutes Verhältnis zu Ihrem Vor-Vorgesetzten zu pflegen. Denn dann wird dieser kaum gegen eine gute Beurteilungen oder Bezahlung angehen.
Bei Tobie Asselin handelt es sich um ein Pseudonym. Er hat viele Jahre in der IT einer Bank verbracht.