Quantenalgorithmen kommen langsam auch in der Finanzwelt an
Es ist was im Gange im Bereich Finanzdienstleistungen – allerdings abseits des Rampenlichts. Jenseits der Trading Floors, in sogenannten in 'moonshot research labs', die auch bei Google sein könnten, experimentieren Doktoranden mit der Anwendung von Quantencomputing und Quantenalgorithmen im Finanzbereich. Noch sind Quantenalgorithmen nicht in der Praxis angekommen – in den nächsten zehn Jahren könnte sich das allerdings ändern.
Eine neues Studie* aus der Feder des Quanteninformatik-Spezialisten QC Ware und Forschenden der University of California, Berkeley, der University of California, Santa Barbara, und der University of Paris Diderot legt dar, was wenig überraschend ist: Quantenalgorithmen könnten Monte-Carlo-Berechnungen für das Pricing und Risikomanagement von Derivaten, die Portfoliooptimierung und das Machine Learning revolutionieren. Einiges davon könnte schon bald Realität werden, anderes wird ncoh länger dauern.
Das Problem beim Quantencomputing ist „Noise“. So erklären die Autoren, dass Quanten-Devices aktuell nur 102 – 103 einfache Operationen ausführen können, bevor sie in „Noise“ übergehen. Um damit umzugehen, ist es entweder notwendig, „Noise“ durch Änderungen zu an den physikalischen Quantensystemen zu reduzieren oder einen „work-around“ zu finden. Noise-reduzierende Änderungen gehen jedoch zulasten der Usability. Daher konzentrieren sich die Forschenden auf ein als „Noisy Intermediate-Scale Quantum“ (NISQ) bekanntes Regime, das nicht fehlerkorrigierte Quantenberechnungen ermöglicht, die „Noise“ umgehen.
Die kurzfristige Realisierbarkeit von Quantenalgorithmen ist abhängig davon, ob diese auf NISQ-Geräten zu funktionieren oder unter reduziertem Ressourcenbedarf arbeiten. In vielen Fällen verlangsamt die Notwendigkeit, Quantenfehler zu korrigieren, die physikalische Taktgeschwindigkeit des Geräts, so dass die Verwendung des Quantenalgorithmus insgesamt nur dann schneller wird, wenn das durch die Geschwindigkeit des Algorithmus‘ selbst kompensiert wird.
Quantenalgorithmen für Monte-Carlo-Berechnungen
Langfristig, so die Forscher, könnten Quantenalgorithmen Pricing Systems für Derivate revolutionieren. Da sie auf „voll skalierbaren, fehlertoleranten Quantencomputern“ arbeiten, hätten Quanten-Monte-Carlo-Algorithmen „das Potenzial, die Preisfestsetzung für Derivate nahezu in Echtzeit zu ermöglichen... und damit potenziell einen starken Wettbewerbsvorteil für die Nutzer dieser Technologie zu schaffen“.
Momentan sind vollständig fehlertolerante, skalierbare Quantencomputer allerdings noch nicht verfügbar – die quadratische Beschleunigung für Standard-Monte-Carlo-Verfahren erfordert wegen der so genannten „Schaltungstiefe“ des Monte-Carlo-Algorithmus sehr hochwertige Qubits, um diese zu erreichen. „Der Algorithmus erfordert die Ausführung einer großen Zahl an Anwendungen des stochastischen Marktmodells S und der Payoff-Funktion f in Serie, gefolgt von einer Quanten-Fourier-Transformation“, so die Verfasser der Studie. „Dies erfordert sehr niedrige Fehlerraten in der Quanten-Hardware – und die gibt es noch nicht.“
Umgangen wird dies, indem sich die Forschung auf „hybride NISQier-Algorithmen“ konzentriert, die ein „glattes Kontinuum zwischen Vollquanten- und klassischem Monte-Carlo-Algorithmus realisieren“. Wenn die Fourier-Transformation eliminiert wird, wird der Algorithmus zum Beispiel vereinfacht. Es gab Versuche, den Monte-Carlo-Algorithmus in parallele Teilprobleme zu zerlegen und die erhöhte Geschwindigkeit gegen eine Verringerung der Tiefe der Quantenschaltungen einzutauschen.
Optimierung des Quantenportfolios
Quantenalgorithmen können auch verwendet werden, um das immer wiederkehrende Problem der Verteilung von Investitionen auf mehrere Vermögenswerte mit unterschiedlichen, aber korrelierten Renditen zu lösen – und gleichzeitig das Risiko des Portfolios zu minimieren und unter Berücksichtigung verschiedener anderer Einschränkungen eine Zielrendite zu erreichen.
Generell hat die für Optimierungsprobleme erforderliche quantenlineare Algebra jedoch „mittlere bis hohe Hardware-Anforderungen“ und ist schwierig zu implementieren. Das grundlegende Problem ist, dass „Quantenalgorithmen zur Lösung linearer Systeme und andere Primitive der quantenlinearen Algebra alle auf Quantenalgorithmen für die Hamilton-Simulation beruhen“ und dass „Algorithmen für die Hamilton-Simulation recht komplex und auf Quanten-Hardware schwer implementierbar sind“.
Es laufen Versuche, Algorithmen zur Portfoliooptimierung an NISQ-Maschinen anzupassen, aber es ist noch ein langer Weg. Eine Möglichkeit ist die Abbildung von Portfolio-Optimierungsproblemen auf sogenannte „Quanten-Annealing-Hardware“, die die Lösung eines Portfolio-Optimierungsproblems als den physikalischen Grundzustand (niedrigster Energiezustand) eines Quantensystems kodiert.
Quanten-Machine-Learning
Nicht zuletzt können Quantenalgorithmen Machine-Learning-Anwendungen im Finanzbereich potenziell erheblich verbessern.
„Im Vergleich zu klassischen und quanteninspirierten Algorithmen könnten Quanten-Machine-Learning-Algorithmen theoretisch einen Beschleunigungsfaktor von mehr als einer Million erreichen“, so die Studienautoren. In einer Branche, in der die Latenzzeit entscheidend ist, wäre dies enorm.
Die Forscher schlagen verschiedene Anwendungen für quantenmechanische Lernanwendungen im Finanzwesen vor, darunter die Analyse von Daten zur Identifizierung verschiedener Marktregime (z.B. hohe/niedrige Volatilität, steigende/sinkende Raten, steigende/sinkende Inflation).
Angesichts des Quanten-Noise-Problems warnen die Forschenden allerdings davor, einen unmittelbar bevorstehenden Durchbruch zu erwarten.
Forscher und Spezialisten in der Praxis entwickeln Algorithmen langsam weiter, entweder um mit „Noise“ zurecht zu kommen oder für den Betrieb auf NISQ-Plattformen. Mit der Zeit könnten Quantenalgorithmen, so die Studienautoren, „in der Lage sein, bestimmte Probleme erheblich schneller zu lösen als die besten klassischen Algorithmen, die wir derzeit kennen.“
Doch schon jetzt können Banken es sich nicht leisten, diese Entwicklungen zu ignorieren – auch wenn sie außerhalb des Rampenlichts stattfinden.
*Prospects and challenges of quantum finance
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