Gnadenloses Arbeiten im Lockdown: Jung-Banker macht seine Kündigung öffentlich
Ein Investmentbanking-Analyst und frischgebackener Banking-Youtuber kehrt der Branche den Rücken und macht dafür auch das gnadenlose Arbeiten während des Lockdowns mitverantwortlich.
In einem Youtube-Video von letzter Woche erklärt Bryan Jun, dass man als Mitarbeiter in einer Branche mit direktem Kundenkontakt ständig auf Abruf sei. „Man hat das Gefühl, nie planen zu können. Es lohnt sich nicht, besonders schnell zu sein, weil dann sofort die nächste Aufgabe kommt“, so Jun. So sei es im Banking immer schon gewesen, aber durch die Arbeit im Home Office sei dies, so Jun, noch schlimmer geworden. Banken müssten ihren Führungskräften klar machen, dass „Dinge nicht immer sofort“ gemacht werden müssten, fordert er. „Es gibt eine toxische Mentalität, wonach alles immer sofort erledigt werden muss, aber das führt in den Burn-out. Hier muss was passieren. Leute müssen auch mal abschalten können. Es ist wichtig, den Akku wieder aufladen zu können.
Jun war bei Lincoln International tätig, dem Mid-Market-M&A-Unternehmen in Chicago, wo 2018 ein junger Banker verstorben war, der mutmaßlich schon länger über Überlastung geklagt hatte. Studiert hat Jun an der Washington und der Lee University.
In einem anderen Video sagte Jun, dass es ein Mythos sei, dass Banker ständig 100 Stunden pro Woche arbeiten. Es gäbe im Banking definitiv eine Kultur, in der man sagt „Oh, ich habe letzte Woche 130 Stunden gearbeitet“, oder „Hey, diese Woche habe ich gerade mal 90 Stunden geschafft“, als ob es, so Jun, ein bestimmtes Ziel zu erreichen gäbe. Tatsächlich komme es im Banking auf den Work Flow an und 100-Stunden-Wochen (also Montag bis Donnerstag von 9 Uhr bis 1 Uhr nachts, Freitag von 9 bis 21 Uhr plus 24 Stunden am Wochenende) seien selten.
Warum hat Jun dann trotzdem gekündigt? Zum einen, weil er wieder mehr Handhabe über seine Zeit haben wollte. Zum anderen, weil er genug davon hatte, permanent im Hab-Acht-Stellung am heimischen Schreibtisch zu sitzen und sich bereit zu halten für den nächsten Arbeitsauftrag, der jederzeit kommen konnte und dann sofort erledigt werden musste. Und auch, weil ihm der tiefere Sinn fehlte. „Es gab Momente, wo ich um 2 Uhr morgens dasaß und mich gefragt habe, warum ich überhaupt ins Investmentbanking gegangen bin. Wo ich mich gefragt habe, wozu ich eine Viertelmillion Dollar für Studiengebühren ausgegeben habe, und jetzt zum 4.000 mal ein Logo anpassen muss“, so Jun. „Mir ist klar geworden, dass die Finanzwelt mich vielleicht doch nicht so sehr interessiert und mich nicht wirklich begeistert“, sagt Jun und fügt hinzu, dass seine Kollegen „etwas mehr Begeisterung für die Arbeit“ mitbrächten als er.
Trotz allem sagt Jun, dass das Banking eine gute Berufswahl sei für alle, die – wie er selbst – „nicht Arzt, nicht Programmierer, und nicht im MINT-Bereich unterwegs sind. Also für alle, die allgemein in die Wirtschaft wollen und noch nicht genau wissen, was sie machen wollen.“ Die gnadenlose Arbeit hätte sogar ihr Gutes, so Jun: „Man kriegt innerhalb kürzester Zeit extrem viel mit und bewältigt innerhalb von 24 Monaten soviel Arbeit wie andere in mehreren Jahren.“
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