Nach Panikattacke: Rothschild-Banker verkauft jetzt Zimmerpflanzen
James Folger war Associate bei Rothschild & Co. in London. Mittlerweile arbeitet er in der „STEM“-Branche (deutsch: „MINT“-Branche) – und zwar nicht im klassischen Sinne. Folger ist Gründer und CEO von The Stem UK, einem Londoner Lieferdienst für Zimmerpflanzen.
„Wir sind ein Online-Gartencenter in London“, so Folger. „Wir sind seit 18 Monaten am Markt und haben rund 12.000 Kunden, die meisten davon sind junge Leute, die in kleinen Wohnungen in London leben. Wir machen einen kleinen, aber messbaren Unterschied im Leben der Menschen.“
Folger war vier Jahre lang Banker. Er war 16 Monate lang als Analyst bei Jefferies und ging dann im April 2017 als Associate zu Rothschild in London. „Ich habe 2 ½ Jahre im Bereich FIG/M&A gearbeitet“, erklärt Folger. „Wir haben das gesamte Spektrum abgedeckt, von Staaten über Banken bis zu Versicherungen.“
Auf dem Papier scheint Folger eine der Personen zu sein, die sich in einem Bankenjob wohlfühlen. Er hat am University College in London Wirtschaftswissenschaften studiert und berichtet, er sei schon mit 17 oder 18 Jahren „klar auf das Thema konzentriert“ gewesen. „Ich bin sehr ehrgeizig und habe Praktika bei Goldman Sachs und Brevan Howard gemacht“, so Folger. „Ich wollte unbedingt ins Investmentbanking, damit mir dann im Lauf meiner weiteren Karriere verschiedene Möglichkeiten offenstehen.“
Warum nun Zimmerpflanzen? Folger erzählt, dass er geglaubt habe, dass er mit den Anforderungen eines Bankerlebens zurechtkommen würde. Es sei allerdings schwieriger gewesen, als er erwartet habe. Als Analyst bei Jefferies scheint er eine Art Feuertaufe erlebt zu haben. „Wir waren nur vier Leute und ich war der einzige Junior.“ Es sei eine „prägende Erfahrung“ gewesen – andere junge Kollegen, mit denen er zusammenarbeiten oder sich austauschen konnte, habe es nicht gegeben.
Als er zu Rothschild & Co. wechselte, habe er bereits „relativ ausgeprägte Angstzustände“ entwickelt, berichtet Folger. „Das war die Folge davon, dass ich über Jahre hinweg nicht wusste, wie ich mit dem Druck umgehen oder ihn effektiv bewältigen sollte – denn das hat mir niemand beigebracht.“ Folger nahm im Oktober 2019 seinen Hut bei Rothschild – die Bank, die für ihren aufmerksamen Umgang mit Nachwuchskräften bekannt ist und die spezielle Angebote hat, mit denen Angestellte in ihrer mentalen Gesundheit unterstützt werden, würde mit Sicherheit sagen, dass sich die Situation seither deutlich verbessert hat.
Folger berichtet, dass die Panikattacken zunächst an den Wochenenden kamen. „Es wurde erwartet, dass man alles stehen und liegen lässt und an die Arbeit geht, sobald das Handy klingelt. Ich hatte Herzrasen, starke Übelkeit und das Gefühl, von Angst überrollt zu werden. Es konnte jederzeit eine Flut an E-Mails von einem wütenden MD kommen und das hinterlässt Spuren.“ Er begann, abends zu einem Therapeuten zu gehen. „Ich bin von 18 bis 19 Uhr für eine Stunde zur Therapie ins West End gefahren, ging danach zurück ins Büro und habe weiter gearbeitet.“
Folger sagt, dass er während seiner Zeit im Banking im Durchschnitt um 9 Uhr morgens im Büro angekommen sei und bis Mitternacht gearbeitet habe. Für Leute, die 100 Stunden pro Woche arbeiten, mag das normal sein. „Aber es gab viele Deals, bei denen bis 4 oder 5 Uhr morgens gearbeitet wurde“, so Folger. „Das zermürbt einen, und zwar nicht nur wegen der Überstunden. Du stellst deine gesamte geistige und körperliche Gesundheit in den Dienst eines Unternehmens und bekommst dafür kaum Anerkennung.“
Dennoch wollte Folger das Banking nicht komplett aufgeben. Sein Plan war, zu einer anderen Bank in Canary Wharf zu wechseln. Er kündigte bei Rothschild und beschloss, drei Monate Auszeit zu nehmen und zu gärtnern. In dieser Zeit wurde ihm bewusst, dass er auch andere Optionen hatte.
„Ich hatte das Gefühl, in London so eingeengt zu sein und tat alles, um davon loszukommen“, berichtet Folger. „Ich bin um die Welt gereist, habe wunderschöne Orte gesehen und dadurch wurde es einfacher, den Sprung ins Ungewisse zu wagen. Ich war nicht mehr Teil des Systems und dadurch wurde es leichter, den nächsten Schritt zu machen.“
Während seiner Zeit im Banking habe er, so Folger, immer wieder überlegt, ins Private Equity zu wechseln. Er habe auch darüber nachgedacht, etwas Eigenes zu gründen, „aber es gab keine Idee, die gut genug war, um das Wagnis einzugehen.“
Dann hatte er die Idee für Stem. Seine neue Stelle in Canary Wharf trat Folger nie an. Stattdessen arbeitete ein Jahr lang jeden Tag 16 Stunden, um The Stem UK auf die Beine zu stellen – von Strategie und Konzept bis hin zu Auslieferung und Kundenservice. „Wir sind von null Bestellungen und mir als einzigem Mitarbeiter auf 2.000 Bestellungen und 1 Mio. Pfund Umsatz gewachsen“, sagt Folger. Dank einer Crowdfunding-Kampagne in diesem Jahr beschäftigt „The Stem UK“ jetzt fünf Angestellte und hat Fahrer für die Lieferungen.
Es war nicht einfach, doch Folger – der sagt, dass er „plant happiness“ verkauft“ – sagt, dass es sich gelohnt habe. Die Auszeit vom Banking und die Zeit in der Natur hätten ihm geholfen, auf einen gesunden Weg zu kommen. Mit „The Stem UK“ will er eine Kultur schaffen, die das Gegenteil dessen ist, was er im Bankgeschäft erlebt hat. „Wir wollen, dass dies ein Ort ist, an dem Menschen Anerkennung bekommen für das, was sie einbringen. Ein Ort, an man gern arbeitet und wo das Arbeiten Spaß macht.“
Vor allem aber will Folger anderen, die als junge Banker unglücklich sind, zeigen, dass es auch anders geht. Viele im Banking „haben das Gefühl, festzustecken oder in einer Falle zu sitzen“, sagt er. Aber: Man muss nicht bleiben.
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