Was ein Ex-Partner bei Goldman Sachs aus seinem Burnout gelernt hat
Langeweile im Job? Das Feuer ist irgendwie nicht mehr da? Würde es einen vielleicht glücklicher machen, etwas ganz anderes zu machen? Das muss nicht das Ende der Finance-Karriere bedeuten. Letzte Woche hat ein ehemaliger Goldman-Sachs-Partner, der mit 50 einen Burnout hatte, sein Vermögen um mehrere Milliarden Dollar erhöht. Er ist jetzt 62.
Der neue Geldsegen bei Jon Winkelreid stammt aus dem Börsengang des Private-Equity-Unternehmens TPG Inc, das er seit 2015 managt. Winkelreid hat im Laufe seiner 30 Jahre bei Goldman Sachs nach Angaben von Bloomberg bereits über 200 Mio. Dollar verdient. In den fünf Jahren bei TPG war es deutlich mehr: Letztes Jahr hat Winkelreid 87 Mio. Dollar bekommen. Der IPO von TPG (bei dem 1 Mrd. Dollar zusammenkamen), hat eine Bewertung von 9 Mrd. Dollar ergeben und beträchtliche Anteile davon dürften Winkelreid gehören.
Das ist nicht schlecht für jemanden, der – laut eigenen Angaben – vor zwölf Jahren nicht gerade begeistert von seinem neuen Job war. „Ich stand kurz vor meinem 50. Geburtstag“, so Winkelreid 2010 im Gespräch mit dem Fortune Magazine über seine Entscheidung, im Jahr zuvor bei Goldman Sachs zu gehen. „Es war total chaotisch. Dieser Sog rund um ‚Werde ich CEO? – ich glaube, es gab zwei Kandidaten und ich weiß nicht, ob ich es geworden wäre. Aber was zählt ist: Es war mir nicht mehr wichtig. War es einfach nicht. Irgendwie hat sich da was bei mir verändert, ich weiß nicht, warum.”
Anstatt bei Goldman Sachs zu bleiben, wo er Co-President war, erklärte Winkelreid an einem Dienstag im Februar 2009, dass er das Unternehmen verlassen werde. Ende März nahm er seinen Hut und hatte laut Wall Street Journal „erstmal keine Pläne“. Anders als andere Partner, die bei Goldman Sachs aussteigen, nahm Winkelreid nicht direkt eine neue Stelle auf der Käufer-Seite an. Ebenso wenig hatte er allerdings vor, nichts zu tun.
Nach 30 Jahren in der Finanzwelt, sowohl in New York als auch in London, verbrachte Winkelreid die vier Jahre danach hauptsächlich auf seinen Ranches in Colorado und Texas und befasste sich mit dem Pferdesport „Cutting“ – eine Sportart, in der Reiter auf Pferden Kälber aus der Herde holen. 2010 sagte er gegenüber Fortune, dass die Finanzwelt ihn nicht mehr reize. Er verfolgte immer noch Hintergrundinformationen, schaute sich jeden Morgen die Börsenmärkte an, aber er wollte nicht mehr bei Goldman Sachs arbeiten. „Mein nächstes Kapitel, was auch immer es sein mag, muss etwas anderes sein“, so Winkelreid damals.
Er hatte keine Eile. Die nächsten drei Jahre scheint Winkelreid sich voll und ganz der Ranch, den Pferden und dem Cutting gewidmet zu haben. Ein Video aus dem Juli 2010 zeigt, wie er bei der „Summer Cutting Spectacular Classic Challenge Amateur Division“ gewonnen hat. „Ich habe ziemlich gründlich gearbeitet und mir mehr Zeit genommen, um besser zu werden und die Früchte meiner Arbeit ernten zu können“, so Winkelreid, bei dem sich die Midlife-Crises offenbar eher in starken Pferden als in Lycra oder Autos niederschlug.
Das Ganze war allerdings nicht von Dauer. 2013 berichtete die New York Times, dass Winkelreid strategischer Berater beim Venture-Capital-Fonds Thrive Capital wird und dass er auch einen Credit-Fonds bei TPG Capital berate, der von einem ehemaligen Goldman-Sachs-Kollegen verwaltet wurde. Nur zwei Monate später verkaufte Winkelreid eine Ranch und 24 Pferde an einen Automobil-Mogul. „Es hat uns großen Spaß gemacht. Wir haben die Pferde geliebt, haben es gern anderen gezeigt und haben viele Freunde gewonnen und wir werden diese Beziehungen weiter pflegen“, erklärte er im Gespräch mit einem Pferde-Magazin. „Aber wir haben das Gefühl, dass es jetzt das Richtige war (die Pferde zu verkaufen).“ Zwei Jahre später ging Winkelreid als CEO zu TPG.
Was hatte sich verändert? „Ich werde ständig gefragt, ob ich wieder einsteige“, sagte Winkelreid 2015 der New York Times. „Aber das Angebot musste stimmen. Irgendwie weiß man das, wenn man es sieht oder es spürt.“
Bei TPG gab es kaum Anzeichen für die Absatzbewegungen, die er bei Goldman Sachs empfunden hatte. Winkelreid steuerte das Unternehmen durch die erste Phase der Pandemie, wurde 2021 alleiniger CEO und übernahm damit auch die Verantwortung für das Tagesgeschäft. Seine Erfahrung legt nahe, dass ein Burnout – wenn man richtig mit ihm umgeht – ein Katalysator für etwas Größeres und Besseres sein kann.
Vielleicht können andere Finanz-Leute mit Burnout aus Winkelreids Erfahrung lernen. In seinen eigenen Worten war die fünfjährige Pause zwischen seinem Abgang bei Goldman Sachs und dem Einstieg bei TPG entscheidend. „Das hat mir die Chance gegeben, Luft zu holen – denn die 27 Jahre bei Goldman Sachs waren nicht ohne“, so Winkelreid letztes Jahr im Gespräch mit der University of Chicago Booth. Die fünf Jahre gaben ihm auch Zeit, darüber nachzudenken, was er als nächstes tun wollte und was ihn wirklich interessiert. „Man braucht ein bisschen Raum, um das herauszufinden.“
Eine 139-Hektar-große Ranch bietet diesen Raum, sowohl mental als auch physisch. In seinen Jahren dort beschäftigte sich Winkelreid nicht nur mit dem Cutting, sondern auch mit „very early stage venture investing“. Das half ihm, seine Berater-Mandate vorzubereiten, die wiederum den Weg bahnten zu seinem neuen Job bei TPG. Auch die räumliche Veränderung spielte eine Rolle – Winkelreid ging von New York nach Colorado und dann nach San Francisco. „San Francisco bietet ein ganz anderes Umfeld“, erklärte er der Chicago Booth. „Die Anregungen und Impulse, von denen man umgeben ist, sind ganz anders“.
Die Learnings von Winkelreid sind: Wer in der Finanzbranche eine Midlife Crisis hat, braucht nicht gegen sie anzugehen. Stattdessen sollte man sein Motivationstief annehmen, abtreten, einen Schritt zurück tun und etwas ganz anderes machen und gleichzeitig die Fühler in Richtung Zukunft ausstrecken. Und was, wenn man im Lauf seiner Karriere noch keine 200 Mio. Dollar verdient hat? Dann einfach cool bleiben – wer weiß, vielleicht erledigt sich die Erschöpfung von selbst.
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Photo by Yasmina H on Unsplash
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