„Unterschiedlichste Bereiche und Menschen kennenlernen“ – im Gespräch mit Rosemarie von KPMG
Rosemarie ist Senior Managerin bei KPMG. Nach dem Einstieg im Bereich Audit arbeitet sie mittlerweile seit 2015 im Consulting: In der Accounting-Beratung hilft sie Unternehmen dabei, Lösungen rund um Fragestellungen in der Rechnungslegung zu erarbeiten.
Rosemarie versteht sich als Sparringspartnerin: Gemeinsam mit Kunden Probleme anzugehen, Know-how einzubringen und nicht nur punktuell, sondern längerfristig zu beraten – das ist es, was ihren Job für sie reizvoll macht. Dass DAX-Konzerne sie einmal für ihre Expertise schätzen würden, war in ihrem Fall keineswegs vorgezeichnet, denn Rosemarie ist in einem kleinen Dorf in Bayern aufgewachsen, wo Abitur und Studium eher nicht der typische Bildungsweg waren. Im Gespräch mit eFinancialCareers erzählt sie, warum sie dennoch einen ganz anderen Weg eingeschlagen hat.
Rosemarie, du bist erfolgreiche Beraterin, Wirtschaftsprüferin und lebst mit deinem Mann und deinen zwei kleinen Kindern in München. Hast du dir das schon als Kind so vorgestellt?
Nein, sicher nicht, denn geboren und aufgewachsen bin ich in einer ganz anderen Welt. Ich komme aus einem kleinen Dorf am Tegernsee, das sehr beschaulich und traditionell geprägt ist. Es ist dort üblich, die Mittlere Reife und dann eine Ausbildung zu machen – die Männer lernen ein Handwerk, die Frauen gehen in einfache Bürojobs. Akademische Laufbahnen sind eher unüblich. Und so bin auch ich auf der Hauptschule gewesen und habe dann eine Lehre bei der lokalen Sparkasse gemacht. Nach Abschluss meiner Ausbildung habe ich eine unbefristete Stelle in der Kreditsachbearbeitung bekommen. Die Tätigkeit kam mir allerdings schnell sehr monoton vor und so habe ich beschlossen, noch mal die Schulbank zu drücken: Über den zweiten Bildungsweg habe ich Fachabitur und Abitur nachgeholt und war da sehr erfolgreich. Bei meinen Eltern allerdings gab es zunächst wenig Unterstützung für mein Vorhaben.
Was kam nach dem Abitur?
Ich habe an der LMU München ein Studium der Wirtschaftspädagogik aufgenommen. Das Fach habe ich gewählt, weil es mir beruflich mehrere Möglichkeiten eröffnet hat: Ich hätte nach dem Staatsexamen in den Schuldienst gehen können, als Lehrkraft für Mathe und Wirtschaft. Gleichzeitig hat das Studium, das in weiten Teilen einem BWL-Studium entspricht, mir auch die Tür in die Unternehmenswelt geöffnet. Ich musste mir mein Studium selbst finanzieren, hatte diverse Nebenjobs und habe trotzdem zu den besten zehn Prozent gehört und bin in ein spezielles Förderprogramm („TOP-BWL“ und „Dean-List“) aufgenommen worden.
Wo hast Du KPMG kennengelernt?
KPMG habe ich über genau dieses Förderprogramm kennengelernt. Ich war neugierig geworden und habe ein Praktikum gemacht. Daraus ergab sich dann mein Berufseinstieg in der Wirtschaftsprüfung.
Wie bist du Wirtschaftsprüferin geworden?
Parallel zu meiner Berufstätigkeit habe ich mich – wie in diesem Bereich üblich – auf das Wirtschaftsprüfer:innen-Examen vorbereitet. Die Prüfung ist ja allseits gefürchtet, die Durchfallquoten lagen damals schon mal bei 80 Prozent. Ich habe zwei, drei Jahre lang jede freie Minute zum Lernen genutzt, meinen gesamten Urlaub und sämtliche angesparten Überstunden genommen und bin dann ins Examen gegangen: Vier von fünf Fächern habe ich im ersten Anlauf bestanden, ein Fach habe ich im Folgejahr nachgeholt. Als ich mich dann Wirtschaftsprüferin nennen durfte, war das ein riesiges Erfolgserlebnis.
Wie ging es dann weiter?
Nach meiner Zeit im Audit habe ich in der Grundsatzabteilung bei KPMG in Frankfurt gearbeitet.
Die Grundsatzabteilung ist eine zentrale Fachabteilung im Hinblick auf alle relevanten Themen der Rechnungslegung nach HGB und IFRS sowie der Abschlussprüfung nach deutschen und internationalen Prüfungsstandards. Ich habe dort spannende Einblicke in komplexe strategische und konzeptionelle Fragen erhalten. Anschließend bin ich wieder nach München gegangen, allerdings nicht zurück in den Bereich Audit, sondern ins Consulting.
Warum der Wechsel?
Während der Zeit in der Grundsatzabteilung habe ich mich intensiv mit dem damals neuen Accounting-Standard IFRS 9 beschäftigt. Ich wollte meine gesammelte Expertise dann direkt in der Praxis umsetzen, was sich zu der Zeit meines Wechsels im Rahmen der großen IFRS-9-Transformationsprojekte bei Banken angeboten hat. Seitdem ist Consulting meine Heimat geworden, da es mir persönlich sehr viel Spaß macht, gemeinsam mit dem Kunden an einem Strang zu ziehen, zusammen etwas zu erarbeiten und gemeinsam bessere Lösungen zu finden.
Ich bin dann zur Senior Managerin befördert worden und habe in den letzten Jahren zwei Kinder bekommen.
Wie lässt sich dein Beruf als Consultant mit deinem Familienleben vereinbaren?
Da muss ich etwas weiter ausholen: Mir war es von Anfang an wichtig, die familiäre Arbeit mit meinem Partner gleichberechtigt zu teilen. Mein Mann ist beruflich ähnlich unterwegs wie ich und unser Ziel war es, dass wir beide weiterhin in Vollzeit arbeiten würden. Mit diesem Lebensmodell sind wir in unserem Umfeld tatsächlich die Ausnahme: In den meisten Fällen steckt einer von beiden zurück, arbeitet in Teilzeit oder unterbricht die Karriere. Wir haben uns vorgenommen, alle Aufgaben rund um Haushalt und Familienleben 50:50 zu teilen. Wir sind das ganz strategisch angegangen, haben jede Woche einen Jour fixe gemacht und abgeglichen, inwiefern das gelingt. Und ich kann sagen: Man muss extrem gut organisiert sein – aber es ist machbar!
Aber bist du als Beraterin nicht ständig unterwegs?
Früher war das so – da habe ich aus dem Koffer gelebt, war unter der Woche beim Kunden. Aber es kommt auch vor, dass der Kunde vor Ort ist. Und mit der Pandemie ist sowieso alles anders geworden: Dass wir jetzt verstärkt mobil arbeiten können, eröffnet gerade denen, die Familie und Beruf vereinbaren, oft neue Spielräume. Habe ich ein krankes Kind zuhause, muss ich nicht den ganzen Tag aussetzen, sondern kann – zumindest teilweise – von zu Hause aus arbeiten. Das mobile Arbeiten ist ein echter Gamechanger!
Was ist dein Rat an alle, die über eine Bewerbung bei den Big 4 nachdenken?
Ich kann es nur wärmstens empfehlen, bei KPMG einzusteigen. Man lernt und sieht dort in den ersten Jahren so viel mehr als in einem klassischen Unternehmen, kann unterschiedlichste Bereiche und Menschen kennenlernen. Wenn man in eine Linienfunktion einsteigt, hat man diesen Reichtum an Perspektiven nicht. Vor allem aber lernt man hier ein „Handwerk“, eine strukturierte Herangehensweise an Probleme. Gepaart mit der Unternehmenskultur und dem diversen Umfeld macht das extrem viel Spaß!