Aus dem Tagebuch eines Praktikanten XI: Krisenzeit zur Mittagszeit
Nach elf Wochen des Frühaufstehens und langer Nächte, wobei zu jedem Zeitpunkt äußerste Anspannung angebracht war, ist mein Praktikum letztlich zu Ende. Ich weiß, nicht, ob ich mich freuen oder beklagen soll!
Mir ist bewusst, dass ich mich an diese Arbeitsroutine gewöhnen muss, wenn ich nach meinem Uniabschluss im Investmentbanking arbeiten möchte, doch vorerst brauche ich eine Auszeit und muss ausschlafen.
Auch die meisten meiner Freunde haben ihr Praktikum beendet und überraschenderweise sind mir nur eine Handvoll bekannt, die ein Übernahmeangebot erhalten haben. Im vergangenen Jahr ging das Gerücht um, dass nahezu jeder ein Angebot für eine Graduiertenstelle erhalten habe. Doch von den 15 Leuten, von denen ich weiß, dass sie im Sommer 2010 ein Praktikum im Frontoffice durchgemacht haben, hat nur ein verschwindender Prozentsatz eine Graduiertenstelle erhalten.
Ein Hauptgrund hierfür scheint in der begrenzten Stellenzahl zu bestehen, womit es unerheblich wird, wie gut die Evaluierung zur Halbzeit und zum Ende ausfällt. Solange die Abteilungen, die man in seiner Rotation besucht hat, nicht einstellen, ist alle Mühe vergeblich. Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf machte ich mich daran, vorsichtig nachzufragen, ob eine der Abteilungen, die ich besucht habe, einstellt. Es stellte sich heraus, dass nur bei der letzten Station meiner Rotation tatsächlich eingestellt wird. Somit entschied ich mich zu einem letzten Anlauf.
Indem ich mich ungewöhnlich vergnügt und freundlich gab, versuchte ich, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Doch offensichtlich schien sich niemand über meinen vorgetragenen Enthusiasmus zu scheren. Ich konnte allerdings keine Arbeit ausfindig machen, die es mir erlaubt hätte, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dies endete damit, dass ich zum Kaffeeholen ausgeschickt wurde, weil die Trader es leid waren, meine Stimme zu hören.
Vielleicht könnte ich ja den Managing Director überzeugen, ihm eine Woche über die Schultern schauen zu dürfen, damit ich lerne "wie wirklich Mehrwert geschaffen wird", wie er sich auszudrücken pflegte.
Dies führte zu einer der interessantesten und nützlichsten Erfahrungen, die ich während meines ganzen Praktikums erlebt habe. Ich lernte, dass in einem starken Unternehmergeist und im Geschäftssinn der Schlüssel besteht, um richtig Geld im Vertrieb zu verdienen. Das Verständnis für die Märkte und die Produkte sind selbstverständlich. Doch wenn es hunderte von anderen Vertriebsmitarbeitern bei einer Menge anderer Banken gibt, die alle die gleichen Produkte anbieten, dann brauch man einen Vorsprung für den Kunden, damit er zu Ihnen kommt.
Beim Managing Director handelte es sich, wie sich herausstellen sollte, um eine weniger schmierige Version von Del Boy und er machte Geschäfte mit Kunden von rund um den Globus.
Glücklicherweise besteht eine meiner Stärken darin, durch Geschäftsabschlüsse Geld zu verdienen und das konnte ich bei verschiedenen Geschäftsspielen an der Schule unter Beweis stellen. Also blieb ich an meinem Managing Director dran und stellte eine Menge intelligenter Fragen, wobei ich auch versuchte, verschiedene Geschäftsideen vorzuschlagen, wovon er jedoch keine annahm.
Als der Freitagmorgen nahte, wollte ich inständig meine abschließende Beurteilung hinter mich bringen, da ich nur so über mein Schicksal Klarheit erlangen konnte, ob ich eine Chance in dieser Bank erhalten würde oder ob mir zwei Monate von Bewerbungen für Absolventenstellen bei anderen Banken bevorstehen würden.
Mein Wunsch wurde erhört und alles war überraschend schnell vorüber. In aller Kürze wurde mir mitgeteilt, dass obgleich die Abteilung von mir beeindruckt gewesen sei, die Bank mir aufgrund der Restriktionen bei den Neueinstellungen nicht in der Lage wäre, mir eine Stelle anzubieten. Dennoch forderten Sie mich dazu auf, mich für das Trainee-Programm der Bank zu bewerben!
Ich fühlte mich am Boden zerstört und ich ging gemeinsam mit meinem Managing Director zum Mittagessen, wobei er sich lediglich von mir verabschieden wollte. Zu diesem Zeitpunkt kotzte mich so ziemlich alles an. Doch ich entschloss mich zu einem aussichtslosen letzten Versuch, mich bei dem Managing Director einzuschmeicheln und ihn davon zu überzeugen, dass ich es wert sei, eingestellt zu werden.
So verbrachten wir eineinhalb Stunden damit, über neue Wege nachzudenken, wie die in Zukunft Bank Geld verdienen könne und auch damit Wettbewerber herunterzuputzen, was besonderen Anklang fand. Ich kam vom Mittagessen zurück und verzog mich in die Toilette, indem ich ein Nickerchen in Erwägung zog. Doch die donnernde Darmentleerung in der Nachbarkabine brachte mich schlagartig davon ab.
Ich ging zu meiner Abteilung zurück und mehr oder weniger sofort bat mich die Personal-Managerin in ihr Büro. Sie erklärte mir, dass sie sich gerade mit meinem Managing Director zusammengesetzt habe, und er war beim Mittagessen so beeindruckt von mir, dass er mir eine Absolventenstelle anbieten möchte! An diesem Punkt habe ich mich selbst gekniffen, um zu prüfen, ob ich nicht in der Luft schwebe wie im Film Inception. Wer hätte nach all den Anstrengungen während meines Praktikums gedacht, dass die Entscheidung bei einem höllischen Mittagessen mit meinem Managing Director fallen würde?
Diese ganze Erfahrung glich einer Achterbahnfahrt mit vielen Höhen und Tiefen und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir dass immer Spaß bereitet habe. Es handelte sich definitiv um eine sehr erhellende Erfahrung und ich werde sicherlich mein letztes Jahr an der Uni zu schätzen wissen, bevor die wahre Welt naht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das Angebot der Bank annehmen werde. Dennoch wäre es unklug, nicht doch einige Telefonanrufe bei anderen Banken zu wagen und mein Angebot für ein Vorstellungsgespräch auf der Überholspur zu nutzen, um womöglich eine bessere Stelle bei einer anderen Bank zu ergattern. Viel Glück!