GASTBEITRAG: Fünf Gründe, wieso so viele CFA-Kandidaten scheitern
Mit einer Erfolgsquote von 50 Prozent und darunter sind die drei CFA-Examen bekanntlich schwer zu bestehen. In das einmal jährlich stattfindende Examen (zweimal bei Level I) investieren die Kandidaten viel Zeit und Arbeit. Von daher machen die meisten Kandidaten auf ihrem Weg zum Charterholder wenigstens einmal diese frustrierende Erfahrung.
Die CFA Society Switzerland hat ein Mentoren-Programm lanciert, bei dem Freiwillige unter den CFA-Charterholdern in einem persönlichen Gespräch eine halbe Stunde lang mit durchgefallenen Kandidaten über die Gründe ihres Misserfolgs sprechen. Auf diese Weise soll ihre Vorbereitungsstrategie verbessert werden. Die teilnehmenden Kandidaten haben die Gespräche als sehr positiv beurteilt. Im Allgemeinen haben ihnen die Gespräche geholfen, ihre Vorbereitung zu optimieren. Außerdem haben sie dadurch einen Motivationsschub erfahren, der ihnen dabei hilft, mit der Frustration des Misserfolgs umzugehen.
Doch worin bestehen die fünf Hauptgründe, wieso Kandidaten scheitern – oder umgekehrt für den Erfolg? Einige liegen auf der Hand, andere weniger:
1. Vorbereitung
Bei den Examen geht es um die Abfrage von Wissen. Dieses Wissen aufzubauen beansprucht Zeit. Gescheiterte Kandidaten investieren nach einer Umfrage deutlich weniger Arbeit in die Vorbereitung als erfolgreiche – im Durchschnitt sind das gemäß einer Auswertung von CFA Institute 305 zu 333 Stunden.
Auch das Engagement bei Übungen zahlt sich aus: Nur 45 Prozent der erfolglosen Kandidaten lösen die in der Vorbereitungsliteratur enthaltenen Übungen, während immerhin rund 55 Prozent ihrer erfolgreichen Kandidaten das tun. Ganz allgemein kann man das so zuspitzen: Es besteht, wer sich auf’s Bestehen der Prüfung fokussiert. Schwieriger wird es bei jenen, die unstrukturiert lernen.
2. Zeitmanagement
Viele Kandidaten verstehen nicht, was es bedeutet, wenn bei einer sechsstündigen Prüfung zu Level I nur 90 Sekunden für die Beantwortung jeder Frage zur Verfügung stehen. Gerade einmal 39 Prozent der gescheiterten Kandidaten haben an einem Test-Examen teilgenommen, während es bei den erfolgreichen 53 Prozent waren. Bei diesen Veranstaltungen lernen die Kandidaten unter anderem, wie wichtig es ist, keine Frage unbeantwortet zu lassen, selbst wenn sie die korrekte Antwort nicht wissen oder nicht die Zeit haben, sie gründlich zu beantworten. Falsche Antworten geben keine Abzüge. So verschenken sie unnötig Punkte.
3. Konzentration
Bei den CFA-Examen liegen die Antworten selten auf der Hand. Daher ist es erforderlich, die Fragen und die angebotenen Antworten ganz genau durchzulesen und wirklich zu verstehen. Obgleich Kandidaten eine rasche Beantwortung der Fragen trainieren, darf dies nicht zulasten des genauen Verständnisses der Frage gehen, die tatsächlich auf dem Papier steht und nicht was ein Kandidat sich denkt. Gelöste Probe-Prüfungen bieten sich an als persönliches Datenpool für die Analyse: Auf welche Ursache sind falsch beantwortete Fragen zurückzuführen – falsche Interpretation der Frage, oder fehlendes Detailwissen? Entsprechend unterschiedlich gehört der Fokus gelegt.
4. Praktisches
Ein intensives sechsstündiges Examen stellt hohe Anforderungen an die körperliche und geistige Durchhaltekraft, womit viele Kandidaten am Examenstag zu kämpfen haben. Die Übungen mit richtigen Test-Examen stellen dabei eine gute Vorbereitung für diese Form des Stresses dar – besonders wenn wie beim Examen zu Level III ein (lesbarer!) Text über drei Stunden verlangt wird – zumal das Schreiben per Hand heute kaum mehr praktiziert wird.
Zudem ist der Umgang mit Stress immer auch eine mentale Übung, weshalb wir bei CFA Switzerland immer zwei „Live Mock Exams“ pro Prüfungszyklus anbieten: Das erste fünf Wochen vor dem Prüfungstermin dient der Identifikation von Wissenslücken, während das zweite zwei Wochen vor dem „E-Day“ dem Aufbau von Selbstvertrauen dient, wenn der Kandidat bzw. die Kandidatin ein Ergebnis von über 70 Prozent richtigen Antworten erzielt. Meine Standard-Frage an wiederholende CFA Kandidaten lautet: Was war Dein Ergebnis bei der letzten Probe-Prüfung? Bezeichnenderweise wissen viele nichts mit dieser Frage anzufangen...
Andere praktische Dinge, die für unnötigen Stress sorgen, sind: zu wenig geschlafen zu haben, zu spät beim Examensort zu erscheinen, nicht alles Erforderliche plus Ersatz mitzubringen oder den Examensvorschriften des CFA Institutes bis auf den letzten Punkt zu folgen.
5. Und nicht zuletzt: Motivation
Das CFA-Examen ist als reines Selbststudium konzipiert. Von daher stellt es beträchtliche Anforderungen an Engagement und Selbstmotivation. Obgleich es somit zwischen den Prüfungstagen an Klassendruck und Vergleichsmöglichkeiten mangelt, gibt es doch viele Möglichkeiten, Unterstützung von der CFA-Gemeinschaft zu bekommen, indem man beispielsweise eine Kandidatenmitgliedschaft bei seiner lokalen CFA Society wahrnimmt oder Studiengruppen bildet. Es gibt keinen zwingenden Grund, sich als Einzelkämpfer auf die Prüfung vorzubereiten – es sei denn, der Kandidat bevorzugt dies. Vielmehr stellen die CFA Societies rund um den Globus die beste Unterstützung dar, die jemand zur Vorbereitung erhalten kann. Nur muss man das auch wollen.
Christian Dreyer CFA ist Geschäftsführer der CFA Society Switzerland und war vorher u.a. Executive Director bei JP Morgan Schweiz.
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