Eidgenossen wollen „Abzockern“ an den Kragen: Mit welchen Folterinstrumenten Banker rechnen müssen
In der Vergangenheit war die Schweiz das gelobte Land der Spitzenverdiener. Kaum an einem anderen Ort der Welt konnten Reiche auf so viel Mitgefühl vertrauen wie zwischen Genfer und Bodensee. Doch diese Nachsicht scheint den Eidgenossen langsam abhanden zu kommen. Das beste Beispiel stellt die sogenannte „Abzocker-Initiative“ dar, über die die Schweizer in einem Referendum am 3. März abstimmen werden. So hatte es auch in der Schweiz wiederholt Missmut ausgelöst, dass Bankchefs und andere Spitzenmanager trotz blamabler Leistungen Spitzenvergütungen einstrichen.
Auch nach der Finanzkrise sind die Vergütungen erstklassig
Obgleich die Vergütungen bei Schweizer Finanzdienstleistern nach Süden zeigen, mussten Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder in 2011 nicht darben. Laut einer Studie der Anlegerstiftung Ethos zu den Vergütungen der 100 größten börsennotierten Unternehmen der Schweiz strichen die 32 Verwaltungsratspräsidenten der Finanzdienstleister durchschnittlich gut 970.000 Franken ein, was indes 18 Prozent weniger als im Vorjahr waren. Die übrigen 249 Verwaltungsratsmitglieder der Branche mussten auf 10 Prozent verzichten, kassierten aber immer noch durchschnittlich gut 204.000 Franken.
Die 31 CEOs der Schweizer Finanzdienstleister erhielten in 2011 pro Kopf gut 2,5 Mio. Franken, was ein Minus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr war. Die übrigen 170 Mitglieder der Geschäftsleitung von den Finanzdienstleistern mussten Abstriche von 26 Prozent verkraften und kassierten durchschnittlich gut 1,9 Mio. Franken. Es handelt sich also um keinen Pappenstiel.
Welche Folterwerkzeuge die „Abzocker-Initiative“ vorsieht…
Die Pointe bei der Volksinitiative: Gleich ob die Initiative angenommen wird oder nicht – bei den Vergütungen der Mitglieder von Geschäftsleitung, Verwaltungsrat und Beirat dürften in jedem Fall die Zügel angezogen werden. Konkret:
Die Befürworter der „Abzocker-Initiative“ um den Schaffhausener Ständerat Thomas Minder sehen eine jährliche Abstimmung der Aktionärsversammlung über die Gesamtsumme sämtlicher Mitglieder von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Beirat vor. Schon bislang wurde in der Generalversammlung über die Bezüge des Topmanagements abgestimmt. Allerdings war das Ergebnis für den Verwaltungsrat lediglich konsultativ und nicht bindend.
Darüber hinaus sollen sämtliche Zusatzvergütungen wie Pensionszusagen offengelegt werden und Abgangs- oder Vorauszahlungen werden gleich ganz untersagt. Damit wäre künftig ein Fall wie beim ehemaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber unmöglich. Dieser hatte gleich bei seinem Antritt als UBS-Verwaltungsratspräsident gut 4 Mio. Franken eingestrichen.
Weiter werden in der Generalversammlung Organ- und Depotstimmrecht untersagt und die Pensionskassen, die bei Schweizer Unternehmen oft zu den Großinvestoren zählen, verpflichtet, immer im „Interesse ihrer Versicherten“ abzustimmen. Auf diese Weise erhoffen sich die Unterstützer der Initiative künftig breite Aktionärsmehrheiten gegen hohe Bezüge des Spitzenpersonals.
… und welche Folterinstrumente der Gegenvorschlag enthält
Gerade an dem letzten Punkt stoßen sich Regierung und Parlament der Schweiz. So fragte die Bundesräten und Vorsitzende des Justizdepartements Simonetta Sommeruga, woher die Pensionskassen denn die Interessen ihrer Versicherten kennen sollten. Außerdem fürchtet Sommeruga, dass die jährliche Abstimmung über den Verbleib der Verwaltungsrats-, Geschäftsführungs- und Beiratsmitglieder die Unternehmen gerade in einer schwierigen Phase destabilisieren könne.
Aus diesem Grund unterstützt der Bundesrat einen Gegenvorschlag zur „Abzocker-Initiative“, der bereits vom Schweizer Parlament abgesegnet worden ist. Denn auch Sommeruga ist der Meinung: „Der Selbstbedienungsmentalität gewisser Manager muss ein Riegel vorgeschoben werden.“
Zum Gegenvorschlag heißt es aus dem Justizdepartement: „Der indirekte Gegenvorschlag nimmt die wesentlichen Forderungen der Initiative auf. So genehmigen die Aktionärinnen und Aktionäre von börsenkotierten Unternehmen jährlich den Gesamtbetrag der Vergütungen des Kaders. Abgangsentschädigungen und Vergütungen, die im Voraus ausgerichtet werden, sind grundsätzlich untersagt, außer die Aktionärinnen und Aktionäre beschließen im Interesse des Unternehmens eine Ausnahme von diesem Verbot.“
Gleich wie das Referendum ausfällt: Die Zeiten dürften härter werden
Der vom Parlament abgesegnete Gegenvorschlag dürfte nahezu automatisch in Kraft treten, wenn die „Abzocker-Initiative“ abgelehnt werden sollte. Gleich ob das Referendum angenommen wird oder nicht – dürften die Zeiten für Axel Weber und Sergio Ermotti von der UBS bzw. Urs Rohner und Brady Dougan von der Credit Suisse deutlich härter werden. Doch für normale Angestellte hat ein Sprecher der Eidgenössischen Justizdepartements eine gute Nachricht parat: Für sie gelten die Regelungen nicht.