GASTBEITRAG: „Banken sind kein Ort für Programmierer“
Mittlerweile ist es sieben Monate her, dass ich meinen Job als Programmierer bei einer der großen europäischen Investmentbanken aufgegeben habe. Im Unterschied zu anderen im Banking ging ich aus eigenem Antrieb. Nach sieben Jahren bei drei Top-Banken möchte ich meine Programmierfähigkeiten anderswo einbringen.
Für die Banken stellt das einen Verlust dar. Denn ich beherrsche Python, Spring, Java, Jenkins, Sybase und vieles mehr. Ich kenne mich auch auf den Märkten und im Risikomanagement aus. Ich habe die Fortbildungsprogramme absolviert und verstehe, was Banken von ihren Entwicklern erwarten. Allerdings will ich nicht länger in den Finanzdienstleistungen arbeiten.
Banken erzählen gerne, dass sie eigentlich Technologieunternehmen seien. Doch das sollten Sie nicht glauben. IT-Fachleute sind in Banken nur Mitarbeiter zweiter Klasse. Wenn Sie in der Nähe des Handelssaales arbeiten – wie ich, dann haben die Trader das Sagen. Die Intrigen in den IT-Abteilungen sind immens und die Karrieremöglichkeiten begrenzt. Sie arbeiten auch nicht mit innovativen Technologien. Vielmehr streichen die meisten Banken ihre Kosten zusammen, was bedeutet, dass Sie sich auf die Aufrechterhaltung der Infrastruktur konzentrieren müssen. Aus diesem Grund gibt es auch Leute, die erst herausfinden, wie wenig sie über IT wissen, nachdem sie das Banking verlassen haben. Die Banken brauchen nur Leute, die ihnen genau den Code schreiben, den sie bestellt haben. Sie benötigen keine innovativen Problemlöser.
Und jetzt kommt auch noch Unsicherheit hinzu, gerade auch wenn Sie in London arbeiten sollten. Die meisten Banken versuchen, Geld einzusparen. Zwei der Banken, für die ich gearbeitet habe, versuchten Jobs an Niedriglohnstandorte zu verlegen. Dabei handelt es sich zumeist um Orte, wo Sie ungern leben möchten wie Polen oder Belfast. Sie können also hier sitzen und beobachten, wie die Jobs sukzessive um Sie herum verschwinden. Die ganze Zeit müssen Sie unter Stress arbeiten und verfügen nur über ein Minimum an Flexibilität. Dazu zählen beispielsweise Anrufe um Mitternacht von Kollegen vom anderen Ende der Welt.
Dennoch gibt es einige gute Jobs für Programmierer im Banking. Falls Ihnen die Möglichkeit offen steht, dann sollten Sie versuchen, ins Strategieteam von Goldman Sachs zu gelangen. Dort arbeiten Sie teilweise als Quant und teilweise als Entwickler. Sie werden üblicherweise besser bezahlt und eher als eine Ertragsquelle als ein Kostenproblem betrachtet. Doch es ist schwierig, an solche Jobs heranzukommen. Ich wurde zwar zu einigen Vorstellungsgesprächen eingeladen, aber ich blieb erfolglos.
Daher bringe ich meine Programmierkenntnisse mittlerweile anderswo ein. Ich arbeite für ein Beratungsunternehmen, welches auch einige Finanzdienstleister als Kunden hat. Die Arbeit fällt hier einfach interessanter aus: Wir versuchen Mehrwert zu generieren und nicht nur Dinge auszuführen. Die Arbeitszeiten fallen kürzer aus und es gibt mehr Flexibilität – und vor allem keine Anrufe um Mitternacht.
Doch am wichtigsten ist, dass ich erst jetzt feststelle, was ich während meiner Zeit im Banking vermisst habe. Plötzlich besitze ich wieder Zeit für meine privaten Projekte. Ich kann meine Zeit mit Gihub verbringen und einige Open-Source-Module einsetzen. Ich bin mittlerweile wieder auf der Höhe der Zeit, was die IT oder das Fintech-Universum betrifft. Auch die Bürokratie fällt geringer aus und ich fühle, dass ich mit meiner Aufgabe wachse. Und die Bezahlung fällt ebenfalls nicht schlecht aus. Die einzige wirkliche Frage lautet: Wieso bin ich so lange im Banking geblieben?
Bei Richard Ling handelt es sich um ein Pseudonym.