Praktikum bei einem Top-Tech-Unternehmen: So klappt’s!
Nicht nur Investmentbanken schielen vor allem auf Elite-Studierende aus der oberen Mittelklasse – bei den großen Tech-Unternehmen ist es genauso. Eine neue Studie zeigt: Wer einen Praktikumsplatz bei Google, Amazon, Facebook und Co. ergattern will, muss belegen (oder auch: faken), dass er oder sie dem Raster entspricht.
Die Studie*, die von Wissenschaftlern an der University of California Irvine (UCI) durchgeführt wurde, untersucht die sogenannten „class biases“ (also den Hang, Leute aus bestimmten sozialen Schichten zu bevorzugen) in großen Tech-Unternehmen. Zwei Doktoranden aus dem Fach Computer Science an der UCI befragten 36 Personaler, die bei Google, Microsoft, Facebook und Amazon die Bewerbungen für „Elite Doktoranden“-Praktikantenplätze betreuen. Die Studie untersuchte Bewerbungen für Aufgaben im UX-Bereich, ist aber genauso auf andere Product- oder Entwicklerstellen übertragbar.
Die Wissenschaftler fanden heraus: Wer den Einstieg in einem Top-Technologie-Unternehmen schaffen will, sollte ein paar Techniken beherzigen – sowohl beim Verfassen des Lebenslaufs als auch bei der Selbstdarstellung im Bewerbungsgespräch.
1. Verwenden Sie im Lebenslauf das Wort „impact“ (Effekt) und zeigen Sie so, dass Sie konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln können
Die Studie stellte fest, dass die Personaler voreingenommen waren gegenüber Studierenden, die zu sehr auf reine (schriftliche) Forschung, die sich nicht in die reale Welt übertragen ließ, fixiert waren. Hier wurden immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass die Bewerber einen „impact“ hätten.
„Betonen Sie, wie Ihre Forschung konkrete Auswirkungen auf Produkte gehabt hat oder haben kann“, so ein Personaler bei Google. „Wenn Sie über Ihre Forschung sprechen, müssen Sie daraus im Gespräch mit Wirtschaftsvertretern konkret umsetzbare Empfehlungen ableiten. Es geht darum, in der realen Welt Veränderungen anzustoßen.“
Die Personaler betonten, dass Bewerber mit akademischem Hintergrund oft ein Coaching benötigen, um zu überlegen, wie sie ihre Forschungsergebnisse in „branchenrelevante Handlungsempfehlungen“ umsetzen können, die tatsächlich Veränderungen in der realen Welt bewirken.
„Überall wurden Bewerber bevorzugt, die von Forschungsmethoden und Studiendesigns sprachen, die – nach Ansicht der Personaler – das Zeug dazu haben, umsetzbare Empfehlungen für Produktteams hervorzubringen“, ist in der Studie zu lesen. Gut ankommen Lebensläufe, die mit „symbolisch aufgeladenen Begriffen“ (z.B. „impact“, „Handlunsgempfehlung“ usw.) gespickt waren und die daher als ‚passend‘ für die Branche empfunden wurden.“
Idealerweise sollte man also den Lebenslauf von jemandem aus der Branche gegenlesen lassen. Falls dies nicht möglich ist, raten die Autoren der Studie, sich die LinkedIn-Profile von „FAANG“-Mitarbeitern (FAANG = Facebook, Amazon, Apple, Netflix and Google) anzusehen und die dort übliche Tonalität zu verwenden.
2. Schreiben keinen Lebenslauf, der nur Ihre akademischen Leistungen und Ihre Forschung beinhaltet
Die untersuchten Personaler waren – so die Studie – voreingenommen gegenüber übermäßig akademischen Lebensläufen. „Für den akademischen Bereich ist es sinnvoll, wenn Sie all Ihre Publikationen aufzulisten und außeruniversitäre Arbeitserfahrung weglassen“, sagte einer. „In der Wirtschaft ist es allerdings weniger interessant, was Sie alles veröffentlicht haben. Uns geht es darum, etwas über die von Ihnen geleistete Arbeit zu erfahren. Haben Sie mit Partnerorganisationen oder anderen Akteuren zusammengearbeitet oder war es ein Einzelprojekt? Hier genügt ein einziger Blick auf den Lebenslauf und ich kann Ihnen sagen, ob der Bewerber ins Raster passt – wenn nicht, wird er aussortiert.“ Ups.
3. Verfassen Sie einen Lebenslauf, der sich auf Ergebnisse und „impact“ konzentriert
Der Studie zufolge sollte man im Lebenslauf nicht nur Begriffe wir „impact“ etc. fallen lassen. Wer FAANG-Personaler überzeugen will, sollte seinen Lebenslauf auch auf eine bestimmte Art und Weise strukturieren. Erfolgreiche Bewerber betonten die „Ergebnisse und Auswirkungen“, zu denen Ihre Arbeit in der Vergangenheit geführt habe. Nicht-erfolgreiche Kandidaten konzentrierten sich eher auf ihre akademischen Erfolge.
4. Bereiten Sie sich auf Interview-Fragen vor, in denen es um die Zwänge der Arbeit in einem Wirtschaftsumfeld geht
Der Studie zufolge stellen Personaler gern Fragen, mit denen Sie abtasten, ob die Bewerber sich vorstellen können, mit welchen Zwängen das Arbeiten auf Unternehmensseite verbunden ist. Eine beliebte Interviewfrage der UX-Fallstudie war: „Nehmen wir an, dass das Product-Team die Benutzerfreundlichkeit einer mobilen App verbessern möchte. Wie würden Sie das Design und die Durchführung einer Forschungsstudie dazu angehen, wenn Sie nur drei Wochen Zeit hätten?“
Erfolglose Bewerber würden hier oft antworteten: „Wir machen a, b, c, d, e, f, g“, ohne aber Zeit- oder Ressourcenbeschränkungen zu berücksichtigen. Erfolgreiche Bewerber würden in ihren Antworten ein Bewusstsein für diese Problematiken zeigen.
5. Wenn Sie präsentieren sollen, tun Sie das allgemein verständlich
Wenn Sie es schaffen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, werden Sie wahrscheinlich gebeten, Ihre bisherige Forschung zu präsentieren.
Die Personaler erklärten, dass Bewerber aus Unis diese Präsentationen leider häufig falsch angehen, „zu viel Fachterminologie“ und „zu viele Details“ verwenden. Um eine erfolgreiche Präsentation zu halten, müssen Sie Ihre Ergebnisse auf die wichtigsten Punkte verdichten und eine klare Sprache verwenden. „In der Uni muss immer alles auf den Folien dargestellt werden, bis hin zu den Methoden, was sich dann auf 20 oder 50 Seiten Anhang summiert. Das ist hier nicht der Fall“, so einer der Personaler.
6. Schauen Sie, ob jemand Sie empfehlen kann
Wenn Sie selbst nicht aus einer Familie der oberen Mittelschicht stammen und nicht zufällig einen Verwandten in der Big-Tech-Branche haben, ist das nicht einfach. Fakt ist allerdings: Alles steht und fällt mit einer persönlichen Empfehlung.
„Ich habe Bewerbungsgespräche mit Leuten geführt, die mir von Vorgesetzten oder Kollegen empfohlen worden sind. Bei denen ist ja schon klar, dass sie ins Unternehmen passen – das Vorstellungsgespräch ist dann nur noch Formsache. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man mit Bewerbern spricht, bei denen man erst die Spreu vom Weizen trennen muss“, so ein Personaler.
7. Treten Sie auf, als würden Sie bereits in der Tech-Branche arbeiten
Die Studie fand auch heraus, dass Personaler in Top-Tech-Unternehmen einen Hang zu Leuten haben, die sie als „nett“, „klug“ und „kompetent“ wahrnehmen und dass diese Wahrnehmung eine Rolle spielt, wenn man in Bewerbern Eigenschaften erkennt, die Kollegen oder man selbst mitbringen.
Auch wenn Unternehmen sich auf die Fahne schreiben, an Diversity interessiert zu sein, spielen Aussehen und Auftreten nach wie vor eine große Rolle.
„Wenn man sich die Leute anschaut, die ein Praktikum bekommen, sieht man, dass diese in ihrer Sprache und ihrem Auftreten ihren Vorgesetzten ähneln“, so ein Personaler. „Und das Kuriose ist, dass sie sich manchmal sogar ähnlich anziehen. Wir versuchen zwar, Leute einzustellen, die anders sind als wir selbst, damit das Team diverser wird, aber manchmal läuft es halt anders…“
Wer niemanden kennt, der bei einem großen Tech-Unternehmen arbeitet, sollte vielleicht einfach in den entsprechenden Vierteln in Coffeeshops gehen (oder – in Corona-Zeiten – Videos von Tech-Mitarbeitern auf YouTube anschauen) und beobachten: Wie ziehen sich die Leute an? Wie reden Sie? – Und das dann einfach genau so kopieren…
*Are You One of Us?: Current Hiring Practices Suggest the Potential for Class Biases in Large Tech Companies