Ex-Goldman-Sachs-Associate unterzieht Kollegen einer Psychoanalyse
Alexandra Michel hat ihr Schweigen gebrochen. Im Nachgang zu „Goldman 13“ – der Präsentation, in der 13 Goldman-Sachs-Mitarbeitende 100-Stunden-Wochen und Beschwichtigungsversuche der Bank anprangern – hat sich die Wissenschaftlerin nun im Gespräch mit der New York Times geäußert. Von Alexandra Michel stammt die berühmten Studie zu Arbeitszeiten im Banking und den damit verbundenen ernsthaften gesundheitlichen Problemen.
Michel ist selbst ehemalige Bankerin: Sie hat in den 1990er-Jahren fast vier Jahre als Associate im Investmentbanking bei Goldman Sachs gearbeitet, kennt die Branche also aus erster Hand. Seit fast zwei Jahrzehnten begleitet sie nun den Berufsweg von einer Kohorte an Bankern. Sie hat den Chief of Staff bei Goldman Sachs bei der Entwicklung eines neuen Executive-Education-Programms unterstützt. Kurz: Sie kennt sich aus.
Laut Alexandra Michel ist die Ursache für die große Arbeitsbelastung im Banking bei den Junior-Bankern selbst zu suchen. Es mag die Schuld von Managing Directors sein, wenn nächtliche Arbeitsaufträge nicht gut genug erklärt werden, aber wirklich etwas bewegen können nur die Analysten und Associates selbst, so Alexandra Michel. Sie könnten ihren Hut nehmen, tun das aber nicht. Woran liegt das?
Junior-Banker sind gefangen in einem Teufelskreis aus toxischer Konkurrenz und geringem Selbstwertgefühl, sagt Michel. Die meisten Leute, die an Eliteuniversitäten studieren, haben nicht vor, Banker zu werden. Wenn dann aber Banken auf den Uni-Campus kommen, werden sie in deren Bann gezogen. „Die Leute fangen an, miteinander zu konkurrieren, weil sie ihr ganzes Leben lang darauf konditioniert wurden“, sagt Michel. „Sie wollen das, was alle wollen, ganz egal, ob die Arbeit sie tatsächlich interessiert. Unabhängig davon, ob es Konsequenzen gibt oder nicht – es sind Menschen, die einfach gewinnen wollen.“
Diese Einstellung verfestigt sich weiter, sobald die Top-Absolventen anfangen, im Banking zu arbeiten. Junior-Banker verinnerlichen die Idee, dass es einen „Kader von Leuten gibt, die die Besten und Klügsten sind“, so Michel. Was sie umtreibt, ist die Angst, zu diesem Zirkel nicht mehr dazuzugehören, wenn sie nicht hart genug arbeiten – und dann bei einem „zweitklassigen Unternehmen landen und Teil der allgemeinen Masse sind“.
Letztlich, so Michel, geht es bei der Arbeit im Banking also nicht um Geld, sondern um Prestige. Wenn sie das Bankwesen verlassen, fürchten sie den „Abgrund“ des persönlichen sozialen Statusverlustes. Sie haben Angst, dass Leute, die ihnen bisher mit Respekt und Wertschätzung begegnet sind, sie dann links liegen lassen.
Wenn das Problem hier liegt, was ist dann die Lösung? Die Bankenbranche komplett zu verlassen, kann es nicht sein: Alexandra Michels Studien deuten darauf hin, dass Menschen, die dem Banking den Rücken kehren, oft auch in anderen Branchen zu viel arbeiten. Lösung Nummer 1 ist es, sich einen neuen Freundeskreis zu suchen. Zudem sollte man damit aufhören, sich als Mitglied einer Elite zu verstehen – in Abgrenzung zu, so Michel, „lethargischen Leuten, die keinen Ehrgeiz haben, es nicht nach oben schaffen und ihr Schicksal klaglos hinnehmen“. Wenn man 100 Stunden pro Woche arbeitet, es einem „richtig schlecht“ geht und die mentale wie körperliche Gesundheut den Dienst verweigert, sollte man vielleicht wirklich überlegen, sich mit weniger zufrieden zu geben: Vielleicht haben die, die es langsam angehen lassen, doch einen Punkt?
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