„Wer zu lange im Investment Banking bleibt, ist für anderes verdorben"
Ich begann meine Karriere in der Investment Banking Division einer europäischen Großbank. Drei Jahre später bin ich ausgestiegen. Das Investment Banking zu verlassen, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Dabei ging es nicht allein um die Arbeitszeiten, obgleich sie tatsächlich so extrem ausfielen, wie allgemein behauptet wird. Auch lag es nicht an der Zusammenarbeit mit den Senior Investmentbankern, die einen als austauschbar betrachten, obgleich genau das der Fall ist. Vielmehr lag es daran, dass ich den Eindruck gewann: Je länger ich in der Branche bleibe, desto stärker würden sich meine schlechten Eigenschaften herauskristallisieren und meine Karrieremöglichkeiten verengen. Daher musste ich gehen.
Beim Investment Banking geht es nicht um Beratung, sondern um Prozesse
Beim Investment Banking handelt es sich um ein Beratungsgeschäft – zumindest sollte das so sein. Doch oftmals geht es lediglich um die Verarbeitung von Marktinformationen, wenn Sie Neugeschäft gewinnen, im Kundenauftrag Prozesse oder Deals ausführen.
Bei den meisten Leuten im Investment Banking handelt es sich daher auch nicht um Berater. Nur die Führungskräfte werden von Kunden als vertrauensvolle Berater gesehen und diese Stellen sogar unter den Managing Directors eine Minderheit dar. Meiner Erfahrung nach kämpfen die meisten Investmentbanker in einem konkurrenzintensiven Markt gegen sich selber, um ihre hohen Gehälter zu rechtfertigen. Nur selten haben sie die Chance, eine langfristige Perspektive zu gewinnen oder sich an ihre Überzeugungen zu halten, worin auch die einzige Möglichkeit bestünde, langfristig das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Sie hangeln sich von Quartals- zu Quartalszahlen, weshalb jüngere Investmentbanker in einer Endlosschleife von Arbeitsabläufen und irrelevanten Analysen gefangen sind.
Senior Investmentbanker sind Sklaven der Kunden, junge Investmentbanker Sklaven ihrer Vorgesetzten
Im Investment Banking ist der Kunde König. Der Kunde kann verlangen, dass eine riesige Arbeitsbelastungen in höchster Geschwindigkeit abgearbeitet wird. Senior Investmentbanker wollen vor allem ihre Kunden zufriedenstellen und lehnen daher auch keine sinnlosen Kundenwünsche ab, weshalb die jüngeren Teammitglieder viele schlaflose Nächte haben. Man lernt ziemlich wenig, außer jegliche Eigeninitiative oder eigene Gedanken zu unterdrücken. Ihre Hauptkompetenz besteht darin, vollkommen den Kunden und den Vorgesetzten zu gehorchen. Und wer nicht aufpasst, vermittelt diese Einstellung selbst irgendwann seinen eigenen Untergebenen.
Das Investment Banking macht sie zu einem miesen Manager
Erfolg im Investment Banking bedeutet, die Arbeit getan zu bekommen. Niemand schert sich um die Mitarbeiterentwicklung, solange jedes Jahr tausende talentierter Juniors in die Branche streben. Das wirkliche Ziel besteht darin, sämtliche Mitarbeiter – vor allem die mittleren und unteren Ränge – so weit auszuquetschen, dass möglichst viel Arbeit bewältigt wird. Einen solchen Arbeits- und damit auch Führungsstil zu verinnerlichen, hat verheerende Auswirkungen auf die Fähigkeit Mitarbeiter in einem ausgeglicheneren Umfeld zu managen, wo die Bezahlung niedriger ausfällt und die Führungskräfte ihre Mitarbeiter motivieren müssen.
Man lernt nichts über finanzielle Feinheiten
Im Banking dreht sich alles um die Finanzanalyse auf hohem Level. Dagegen kümmern sie sich nicht um die Details, weil Sie dafür weder das Knowhow, die Informationen noch auch nur die Zeit besitzen. Für einen jungen Investmentbanker stellt eine Leverage Ratio kaum mehr als den „Faktor 3,5“ dar. Dagegen findet die reiche Welt hinter dieser Zahl (Debt Covenants, structural subordination, security package, acceleration rights) keine Rolle. Doch wenn man diese Zahl übergeht, übergeht man auch, wie die Welt von Corporate Finance in sich selbst funktioniert.
Es gibt eine unentdeckte Welt, die sie erst nach dem Ausstieg kennenlernen
Als ich noch ein junger Investmentbanker gewesen bin, habe ich an kleinen wie großen Deals mitgearbeitet, dennoch habe ich nie einen Darlehens- oder sonstigen Vertrag in den Händen gehalten. Es gibt eine Vielzahl von wichtigen Arbeitsabläufen, mit denen Investmentbanker einfach nicht in Kontakt kommen. Dazu gehören das Aushandeln rechtlicher Details, die Umsetzung eines Fusionsprozesses zu begleiten oder eine Strategie für eine Restrukturierung zu entwickeln. Doch für einen Finanzjob bei Großunternehmen oder in der Private Equity-Branche benötigt man diese Kompetenzen. Im Investment Banking kann man sie jedoch nicht entwickeln.
Sicherlich sind längst nicht alle Jobs im Investment Banking derart schlecht und viele Leute in der Branche kennen sich sehr gut aus und sind abgerundete Persönlichkeiten. Meiner Erfahrung nach befinden sie sich allerdings in der Minderheit. Obgleich ich meine Karriere im Investment Banking begonnen habe, drohte es doch ein Karriereblocker zu werden, wenn ich nicht rechtzeitig abgesprungen wäre. Im vergangenen Jahr bin ich ausgestiegen, worüber ich sehr glücklich bin.
Bei Anton Welser handelt es sich um das Pseudonym eines ehemaligen Analysten einer europäischen Bank.
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